Im Prozess rund um den Wiener Stadterweiterungsfonds wurden prominente Zeugen befragt.
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Dass ein Kardinal und eine Ex-Innenministerin in einem Strafprozess rund um einen Fonds aus der Kaiserzeit aussagen, ist schon etwas Ungewöhnliches. So geschehen aber am Dienstag im Wiener Straflandesgericht. Angeklagt sind vier - teils ehemalige - Spitzenbeamte des Innenministeriums. Sie sollen das Vermögen des Wiener Stadterweiterungsfonds widmungswidrig für Spenden verwendet haben. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wirft ihnen Untreue vor, der Schaden soll 1,1 Millionen Euro betragen.
Der Hintergrund der Causa reicht bis in das Jahr 1857 zurück. Damals ordnete Kaiser Franz Josef I. die Erweiterung der Wiener Innenstadt an. Das Vorhaben wurde durch den neu geschaffenen Wiener Stadterweiterungsfonds finanziert. Mit den Geldern wurden unter anderem die Bauten entlang der Ringstraße wie die Staatsoper und das Burgtheater errichtet. Angesiedelt war der Fonds stets beim Innenministerium, dort verblieb er über die Jahrzehnte und Jahrhunderte. Denn auch nach Abschluss der Bauarbeiten bei der Ringstraße 1913 wurde er nicht aufgelöst.
Debatte um Satzung
Ein knappes Jahrhundert später wurde das kaiserliche Relikt entstaubt. Von 2005 bis 2008 wurden drei Liegenschaften, die im Eigentum des Fonds standen, veräußert. Das Fondsvermögen wurde unter anderem an katholische und jüdische Einrichtungen und das St. Anna-Kinderspital gespendet. Die öffentlichen Gelder flossen auch an Organisationen, die den Angeklagten beruflich oder persönlich nahestanden. So war ein Angeklagter ehrenamtlicher Obmann einer privaten Bildungsinstitution, die für ihren Umzug eine Spende erhielt.
Fest steht, dass die vier Männer sich nicht persönlich bereichert haben. Laut WKStA verstießen sie aber gegen den Fondszweck, die Innenstadt baulich zu behübschen. Der Zweck sei willkürlich ausgelegt worden, damit Einrichtungen, die den Angeklagten sympathisch waren oder zu denen sie einen Bezug hatten, profitieren können. Die Angeklagten - ein Ex-Sektionschef, zwei aktuelle Sektionschefs im Innenministerium und ein Ex-Geschäftsführer des Integrationsfonds - bestreiten das. Sie bildeten das Kuratorium des Fonds und geben an, im Sinne der verstorbenen Innenministerin Liese Prokop (ÖVP) gehandelt zu haben.
Prokop habe den Fonds 2005 als Anachronismus bezeichnet und dessen Auflösung betrieben. Mit den Erlösen habe die Innenministerin "Gutes tun" wollen. Diesem - nicht schriftlich festgehaltenen - Wunsch sei man nachgekommen.
"Auf Spitzenjuristen verlassen"
Am Dienstag wurde nun Maria Fekter, Innenministerin von Juli 2008 bis April 2011, zur Causa befragt. Fekter erklärte, ihr sei zu Beginn ihrer Amtszeit von Ressortmitarbeitern berichtet worden, dass das Fondsvermögen auf Prokops Wunsch hin für karitative Zwecke ausgegeben werde.
Genauer habe sie sich damit nicht befasst - etwa, ob die Spenden der Satzung entsprechen: "Ich habe mich da auf die Spitzenjuristen des Hauses verlassen." Auf ihrem Radar sei der Fonds erstmals näher im Jahr 2009 gewesen. Damals habe es den Plan gegeben, ein Erstaufnahmezentrum für Asylwerber im burgenländischen Eberau zu errichten.
Ein Mitarbeiter habe vorgeschlagen, das Projekt mithilfe des Fonds zu finanzieren, erklärte Fekter. Weil es bei dem Projekt auch einen enormen Zeitdruck gegeben habe, habe sie den Vorschlag "gutgeheißen". 2009 wurde auch die Satzung geändert: Die Fondsmittel konnten nun "zum Wohle der Gesellschaft und des sozialen Friedens vergeben werden". Früchte trug das Vorhaben nicht: Das Asylzentrum wurde wegen heftigen Widerstands nichts errichtet.
Befragt wurde auch Kardinal Christoph Schönborn. Grund dafür ist eine Spende von einer Viertelmillion Euro, welche die Erzdiözese Wien aus dem Fondsvermögen im Sommer 2008 erhalten hatte. Das Geld soll der Errichtung einer Kirche in der Seestadt Aspern dienen. Den Kontakt zwischen Erzdiözese und dem Kuratorium des Fonds hatte der Regionalvikar des Opus Dei in Österreich vermittelt.
Die Kirche ist bis heute nicht gebaut worden. Man sei davon ausgegangen, dass das alles viel schneller gehe, sagte Schönborn. Doch befinde sich die Liegenschaft in Aspern in einer Zone, in der lange nicht gebaut worden sei. Nun gehe es aber voran, ein Architektenwettbewerb sei bereits im Gange, so der Kardinal. Die Spende liege zweckgebunden auf einem Treuhandkonto, versicherte er: "Die ist nicht angerührt worden."
Die Angeklagten wurden allesamt mit einem päpstlichen Orden ausgezeichnet - "bei Weitem nicht der höchste Orden", wie Schönborn betonte. Derartige Orden würden oft an Beamte vergeben werden, in "Anerkennung für deren persönliches Engagement für die katholische Kirche". Die Tätigkeit im Stadterweiterungsfonds habe hier "sicher nicht die einzige Rolle gespielt".