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Gerades Kreuz, silberne Schläfen, zwei tiefe Furchen über der Nase und die Lippen entschlossen aufeinander gepresst - solche Männer, so sagt man, haben für England einst ein Empire erobert. Brian Hutton ist so einer. Lange stand er als höchster Richter Nordirlands auf der Abschussliste der IRA. Jetzt steht er mit 72 Jahren plötzlich im Mittelpunkt der schwersten Krise der Regierung Blair. Der Lord soll herausfinden, warum der Waffenexperte David Kelly Selbstmord beging.
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Premierminister Tony Blair schwebte noch über dem Pazifik, wo ihn die Nachricht von Kellys Tod ereilt hatte, als er sich zur Berufung Huttons entschloss. Er war sich darüber im klaren, dass es nicht ausgereicht hätte, einen Unterhausausschuss zu beauftragen, denn dort hat seine Labour-Partei die Mehrheit. Hutton soll die Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit der Untersuchung gewährleisten.
Richterliche Untersuchungen haben in Großbritannien Tradition, ob zur BSE-Krise oder zu Zugunglücken. Oft werden sie von einem der Lord-Richter des Oberhauses geleitet. Das Oberhaus ist seit dem 14. Jahrhundert das höchste Berufungs- und Revisionsgericht des Königreiches.
Anders als von der Opposition gefordert, hat Hutton von Blair nicht das Recht erhalten, Zeugen einzubestellen, sie unter Eid zu vernehmen oder Geheimdokumente einzusehen. Außerdem soll sich Hutton nur mit den direkten Umständen von Kellys Tod beschäftigen und nicht mit der offiziellen Rechtfertigung des Irak-Krieges. Dazu hat er jedoch gleich zu Beginn klargestellt, er selbst entscheide, was er untersuche. Blairs Replik aus dem fernen China kam umgehend: "Es ist wichtig, dass er (Hutton) das tut, worum wir ihn gebeten haben. Ich glaube nicht, dass es sinnvoll wäre, irgend etwas darüber hinaus zu tun."
Nun spekuliert die britische Presse darüber, inwieweit sich Hutton dem Premier widersetzen könnte. Als sicher gilt, dass er keine ausführliche Prüfung der von Blair angeführten Kriegsgründe vornehmen wird. Das würde klar über seinen Auftrag hinausgehen. Aber gängeln lassen wird sich der Mann, den die "Times" als "very steely" (sehr stählern) beschreibt, sicher auch nicht. Gut vorstellbar ist, dass Huttons Abschlussbericht so viele Fragen aufwirft, dass sich Blair einer umfassenderen richterlichen Untersuchung zu den Hintergründen des Irak-Krieges nicht entziehen kann.