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Der "statistische Fehler" Serbiens

Von Sissi Eigruber

Wirtschaft

Die Nachbarmärkte in Südosteuropa liegen im Visier der österreichischen Unternehmer, doch mitten drinnen - zwischen den kräftigen Investitionen in Kroatien und dem Handel mit Rumänien und Bulgarien - findet sich auf den meisten Unternehmer-Landkarten ein weißer Fleck namens Montenegro.


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Nicht einmal die österreichischen Banken, die bis nach Russland hin überall vertreten sind, haben bisher den Schritt nach Montenegro getan. So sind Bank Austria-Creditanstalt (BA-CA), Raiffeisen, Steiermärkische Bank und Sparkasse sowie Hypo Alpe-Adria zwar in der Union Serbien und Montenegro vertreten, praktisch befinden sich die Niederlassungen oder Repräsentanzen bisher allerdings ausschließlich auf serbischem Gebiet.

Die zwei Regionen haben nicht so viel gemeinsam, wie der Begriff Union vielleicht vermuten ließe. So ist eben auch die Zulassung für eine Bank in Serbien noch lange nicht in Montenegro gültig. Die Banken bräuchten für den kleinen montenegrinischen Markt mit rund 620.000 Einwohnern eine extra Genehmigung der Zentralbank Montenegro und ein Gründungskapital von mindestens 2,6 Mill. Euro. Die BA-CA will sich jedenfalls vorerst auf den serbischen Markt konzentrieren und dort mehr Filialen gründen (bisher sind es vier). Raiffeisen plant trotz der rechtlichen Hürden eine Filiale in der montenegrinischen Hauptstadt Podgorica.

Alles in allem läuft die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Montenegro und Österreich bisher auf einem sehr bescheidenen Niveau, aber auch hier gebe es steigendes Interesse, berichtet der Handelsdelegierte für Serbien und Montenegro, Herbert Preclik, im Rahmen der ersten größeren Wirtschaftsmission in Montenegro im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". "Wir wollen herausfinden, wo es wirtschaftliche Kooperationsmöglichkeiten gibt. Nach dem Erfolg in Serbien wollen wir auch in Montenegro starten." In Serbien waren im Jahr 2000 erst 20 österreichische Firmen aktiv, jetzt sind es schon 136, berichtet Preclik.

Ein Interessent für Montenegro ist zum Beispiel die oberösterreichische Fahrzeug-Logistik-Firma Hödlmayer, die bereits in Serbien aktiv ist. Dort hat Hödlmayr die Transportsparte des serbischen Fahrzeugherstellers Zastava zu 80 Prozent übernommen. 20 Prozent des neuen Unternehmens, der Hödlmayr Zastava d.o.o., blieben in den Händen der Zastava-Mitarbeiter. Bereits jetzt liefert Hödlmayr Autos (Toyota) von Koper (Slowenien) nach Podgorica. Als nächster Schritt könnte eine kleine Transportfirma in Montenegro gekauft werden, erläutert Markus Wäger, Generaldirektor der serbischen Niederlassung, die Pläne des Unternehmens. Ein wesentliches Problem bei der Geschäftstätigkeit in Serbien und Montenegro sei die unglaubliche Bürokratie. Auch das Transport- und Logistikunternehmen Schenker ist praktisch in ganz Süd-Ost-Europa (außer Montenegro und Albanien) vertreten und sorgt zum Beispiel für den Transport von Lebensmitteln und Bekleidung. "Besonders kompliziert sind in Serbien und Montenegro die Zollangelegenheiten", berichtet Schenker-Mitarbeiter Manfred Schmalzbauer von seinen Erfahrungen.

Das Familienunternehmen M. May Industrievertretungen ist schon seit 20 Jahren in Montenegro tätig und arbeitet speziell für mittelständische Unternehmen. So wickelt May zum Beispiel für Brauereien und Anlagebauer Geschäfte in Südosteuropa ab. "Das Unternehmen ist außerdem der größte Getränkedosenlieferant für die Länder des ehemaligen Jugoslawien", erläutert Günther Thömmes, der bei May für den Vertrieb zuständig ist. Ein Kunde in Montenegro ist zum Beispiel die - inzwischen vom Konzern Interbrew übernommene - Brauerei in Niksic.

Montenegro rührt jedenfalls kräftig die Werbetrommel für ausländische Investoren: "Die Lohnkosten sind niedrig, die geografische Lage an der Adria günstig, die Gesetze sind auf EU-Standard", zählt Montenegros Ministerin für Wirtschaftsbeziehung und Europäische Integration, Gordana Djurovic, die Vorteile auf. Aber auch sie ist sich dessen bewusst, dass das Investitionsklima nach wie vor schlecht ist: "Wir liegen an letzter Stelle - hinter Bosnien-Herzegowina. Manche bezeichnen Montenegro gar als 'statistischen Fehler' von Serbien". Große Probleme seien Arbeitslosigkeit und Schwarzarbeit. Auch die politische Situation schreckt viele Unternehmer ab: Die Zukunft des Kosovos ist nach wie vor ungewiss und auch die Union von Serbien und Montenegro könnte bald wieder in die Brüche gehen. Die Union sei teuer und umständlich und bringe für Montenegro keine Vorteile sondern nur mehr Kosten. Schon jetzt gebe es eine eigene Verwaltung, eigene Gesetze, eigene Zollbestimmungen und eine andere Währung (Euro!). Im Jahr 2005 oder 2006 soll daher ein Referendum über die Unabhängigkeit Montenegros abgehalten werden, erklärt Djurovic. Gemäß der im März 2002 getroffenen Vereinbarung über die Union Serbien und Montenegro besteht nach drei Jahren die Möglichkeit, über eine Unabhängigkeit zu entscheiden.