)
Im Atomstreit zwischen den USA und dem Iran scheint es derzeit vor allem darum zu gehen, wer den ersten Schritt machen muss. Viele andere Fragen sind aber noch deutlich schwieriger zu lösen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 4 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Auf hochrangiger Ebene hatte man sich schon im Sommer 2008 zum ersten Mal mit der anderen Seite zusammengesetzt. Nach fast 30 Jahren dipolomatischen Schweigens zwischen den USA und dem Iran nahm damals US-Unterstaatssekretär William Burns an den Atomgesprächen in Genf teil. Bis der Vertrag, der das Regime in Teheran vom Bau einer Atombombe abhalten sollte, fertig war, dauerte es allerdings nochmals sieben Jahre. Erst in der Nacht zum 14. Juli 2015 wurde im Wiener Palais Coburg das Atomabkommen mit dem Iran unterzeichnet.
Dass die neuen Verhandlungen, die nach dem US-Ausstieg aus dem Vertrag unter dem damaligen US-Präsidenten Donald Trump einen Weg zurück finden sollen, nun nochmals sieben Jahren dauern werden, nimmt derzeit niemand an. Doch schon jetzt ist klar, dass die von den Europäern koordinierten und moderierten Gespräche zwischen dem Iran und den USA überaus zäh und langwierig werden dürften - sofern sie überhaupt in absehbarer Zeit begonnen werden. So hat Saeed Khatibzadeh, der Sprecher des iranischen Außenministeriums, erst am Sonntag erklärt, die Zeit für ein erstes direktes Treffen mit der US-Seite sei noch nicht reif. Bevor der Iran an Verhandlungen teilnehme, müsste die neue US-Regierung unter Joe Biden die von seinem Amtsvorgänger Trump verhängten Sanktionen aufheben.
Welche Sanktionen fallen?
Die Frage, wer sich zuerst bewegt - also ob der Iran zuerst die Verstöße gegen das Atomabkommen zurücknimmt oder die USA vorher ihre Strafmaßnahmen aufheben -, hat die öffentliche Debatte in beiden Ländern bereits seit dem Machtwechsel in Washington geprägt. Doch der Zeitpunkt und die Abfolge der Schritte dürften vergleichsweise untergeordnete Probleme darstellen.
Viel schwieriger dürfte etwa eine Übereinkunft bei der Frage werden, welche Sanktionen überhaupt aufgehoben werden können und müssen. So war im Atomabkommen festgelegt, dass die USA als Gegenleistung für die Beschränkung des Atomprogramms durch den Iran alle nuklearbezogenen Strafmaßnahmen aufheben. Trump hatte nach dem Ausstieg aus dem Vertrag im Mai 2018 allerdings nicht nur die ursprünglichen Sanktionen wieder in Kraft gesetzt. Der damalige US-Präsident verhängte auch noch zahlreiche weitere Strafmaßnahmen gegen Teheran, etwa wegen der mutmaßlichen Unterstützung von Terrorismus.
Dass Biden nun, so wie vom Iran gewünscht, auch all diese Sanktionen aufheben kann, halten US-Außenpolitikexperten für schwierig bis unmöglich. "Das ist in den USA ein politisch sehr sensibles Thema, nicht zuletzt weil viele dieser Strafmaßnahmen sehr bewusst unter dem Terrorismusbegriff laufen", sagt Henry Rome von der auf geopolitische Analysen spezialisierten Denkfabrik Eurasia Group zur Nachrichtenagentur Reuters. Sollte Biden hier also zu sehr auf den Iran zugehen, wird ihm das wohl nicht nur massiven Widerstand seitens der Republikaner bescheren. Auch mancher Abgeordnete und Senator aus den Reihen seiner demokratischen Partei dürfte hier nicht mitgehen wollen.
Nicht minder herausfordernd stellt sich die Sache auf Seiten des Iran dar. So wird es vergleichsweise einfach sein, gewisse Verstöße gegen das Atomabkommen - etwa die Urananreicherung über den Wert von 3,67 Prozent hinaus oder die Anhäufung von niedrig angereichertem Uran - wieder rückgängig zu machen. Bei der in den vergangenen zwei Jahren vom Iran intensiv vorangetriebenen Erforschung und Weiterentwicklung von hocheffizienten Uranzentrifugen wird es dagegen schon deutlich schwieriger. "Wie kann man das Wissen auslöschen, das hier gesammelt wurde?", fragt Robert Einhorn vom amerikanischen Thinktank Brookings Institution.
Wirtschaft unter Druck
Viele Experten gehen allerdings davon aus, dass das Regime in Teheran angesichts der bevorstehenden Präsidentschaftswahl ein gewisses Entgegenkommen zeigen könnte. Denn wer Präsident im Iran wird, hat zwar nur bedingt Auswirkungen auf den künftigen Kurs im Atomstreit, da alle außenpolitischen Entscheidungen in der Hand des obersten geistlichen Führers Ayatollah Ali Khamenei liegen. Sollten die Iraner aufgrund der auch durch die Sanktionen verschärften wirtschaftlichen Probleme allerdings nur in geringem Ausmaß wählen gehen, hätte das spürbare Auswirkungen auf die Legitimität der geistlichen Führungsriege, deren größte Sorge wohl jetzt schon ein Wiederauflammen der massiven Straßenproteste des Jahres 2019 sind.
"Dieser Unzufriedenheit über die ökonomischen Probleme müssen wir uns so schnell wie möglich widmen", wird ein hochrangiger iranischer Offizieller von Reuters zitiert. "Das bedeutet nicht, dass wir dem amerikanischen Druck nachgeben. Es bedeutet, Flexibilität zu zeigen."