Bei den Protesten in Südamerika wird natürlich auf die USA und Kuba verwiesen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 10 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Caracas. Mindestens 34 Menschen mussten seit dem Ausbruch der Proteste in Venezuela ihr Leben lassen. Am Sonntag traf eine tödliche Kugel eine schwangere Frau, die als Gebärdendolmetscherin beim TV arbeitete und die am Heimweg offenbar an einer Demonstration vorbeigehen musste.
Die Welle der Demonstrationen und der Gewalt läuft seit 12. Februar in Venezuela ungebrochen. Venezolanische Medien nennen sie "Studentenproteste", englische Medien sprechen von "Anti-Regierungsprotesten". Die einen sehen in ihnen den Ausdruck der Unzufriedenheit ob der wirtschaftlichen Lage, die anderen sehen in ihnen den schleichenden Prozess des Regierungsumsturzes durch die Opposition.
Die Regierung in Venezuela verwies drei Mitarbeiter des US-Konsulats des Landes: Sie würden Menschen bezahlen, damit sie demonstrieren gehen und die Proteste weiter am Laufen halten. Die USA und Venezuela haben ihre Botschafter im jeweilig anderen Land abgezogen, nachdem Venezuela 2008 den US-Gesandten bei der Organisation der erdölexportierenden Ländern (Opec) hinausgeworfen hat.
Die venezolanische Opposition wirft dagegen der Polizei und dem Militär vor, kubanische Milizen in ihrer Mitte zu beschäftigen - darauf folgte ein Dementi, nein, Kubaner würden nur als Ärzte in Venezuela arbeiten. Auch von dem US-Konsulat kam ein Dementi: Nein, man würde selbstverständlich nicht die Proteste weiter anheizen, aber man stoppe nun die Ausstellung von US-Touristenvisa an venezolanische Staatsbürger, da man nicht mehr genug Mitarbeiter habe, um die Visumsanträge zu bearbeiten.
Das erdölreiche südamerikanische Land zerreißt sich einmal mehr zwischen klassischen Feindbildern, so werden sowohl die USA als auch Kuba als Gottseibeiuns an die Wand gemalt. Das Land war schon vor dem Tod seines legendären Präsidenten Hugo Chávez aufgrund von Armut und Kriminalität bedingten Morden eines der gewalttätigsten Länder der Welt. Doch der inzwischen erreicht die Gewalt eine neue Ebene: Durch organisierte, nicht abreißen wollende Proteste auf der einen Seite, und exzessive Polizeigewalt auf der anderen Seite. Dazu kommt, dass verschiedene Augenzeugen berichten, dass seit kurzem Männer auf Motorrädern die Protestbewegungen beschießen und von der Polizei aber offenbar nicht verfolgt werden. "Sind das vielleicht die kubanischen Milizen?", raunt es durch das Internet.
Nicolás Maduro hat schließlich auch nur das Präsidentenamt von seinem Vorgänger geerbt, nicht aber dessen Charisma. Die Opposition wittert Morgenluft. Die Wahl im Dezember mag man zwar verloren haben, aber Maduro ist schwach, und die Oppositionsparteien werden teilweise mit US-amerikanischen Geldern gesponsert. Laut dem Guardian sind jedenfalls fünf Millionen US-Dollar im US-Budget 2014 dafür vorgesehen, der venezolanischen Opposition finanziell auf die Sprünge zu helfen. US-Außenminister John Kerry wollte schon den Wahlsieg von Maduro im April 2013 nicht anerkennen. US-Think-Tanks prangern Menschenrechtsverletzungen an. Allerdings ließ die venezolanische Regierung 17 Angehörige der Sicherheitsdienste am Wochenende verhaften. Ihnen werde vorgeworfen, Demonstranten misshandelt zu haben, sagte Staatsanwältin Luisa Ortega Diaz laut der Zeitung "El Universal" am Montag in Caracas. Die Anklägerin hält es für erwiesen, dass die Polizei Machtbefugnisse übertreten habe und es zu Übergriffen gekommen sei. Die Regierungsbefürworter jubelten: Würde ein repressives System denn jemals Polizisten verhaften lassen? Das sei nun endlich Beweis genug, sagte man zur Opposition. Die Opposition konterte: Vergangenen Mittwoch haben Mitarbeiter des Geheimdienstes Sebin den Bürgermeister von San Cristóbal verhaftet. Sein Vergehen: Er soll dem Urteil des Obersten Gerichtshofes nicht Folge geleistet haben, nämlich dass die Straßenblockaden in seinem Bezirk unterbunden werden müssen. Würde ein nicht-repressives System so etwas tun? San Cristóbal ist eines der Zentren der gewalttätigen Aktionen, schreibt das Portal Lateinamerika21.
Ab heute, Dienstag, werden in der venezolanischen Hauptstadt Caracas die Außenminister der Union Südamerikanischer Nationen (Unasur) zusammenkommen, um zwischen Regierung und Opposition zu vermitteln. Die Entscheidung war bei dem Treffen der Amtseinführung von Chiles Präsidentin Michelle Bachelet gefallen. Bachelet hat sich für die Vermittlung starkgemacht, lässt aber offenbar vor allem Diplomatie hinter verschlossenen Türen walten. Die Tatsache, dass die Sozialistin Bachelet die Gewalt in Venezuela nicht eindeutig öffentlich verurteilt hat - genauso wenig wie ihre brasilianische Amtskollegin Dilma Rousseff -, hat ihr bereits den Vorwurf des Neoliberalismus eingebracht. Der Oppositionspolitiker Henrique Capriles, der Maduro bei der Wahl zum Präsidenten unterlag, verglich Bachelet gar mit dem chilenischen Diktator Pinochet - wohl wissend, dass Bachelets Vater als Anhänger des gestürzten Präsidenten Allende von Pinochets Schergen zu Tode gefoltert wurde.