Im vergangenen Jahr wurden Lockdowns noch mit Großinszenierung begangen. Dass das inzwischen anders ist, liegt auch am Föderalismus.
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Vieles hat sich verändert im vergangenen Pandemie-Jahr. Nicht nur, dass die Dauerkrise auslaugt und zermürbt. Nicht nur, dass die Menschen zunehmend weniger bereit sind, sich an verordnete Maßnahmen zu halten - jedenfalls, wenn man den Worten zahlreicher Politikerinnen und Politikern glaubt. Auch daran, wie Verschärfungen vorbereitet und kommuniziert werden, hat sich viel geändert.
Als die Regierung im März des Vorjahres per Pressekonferenz die ersten Einschränkungen bekanntgab, lauschte das Land gebannt vor dem Fernseher. Die Einschaltquoten erreichten auch in den Wochen darauf noch Spitzenwerte, als sich die bald "Corona-Quartett" genannte Zusammenkunft aus Bundeskanzler Sebastian Kurz, Innenminister Karl Nehammer (beide ÖVP), Vizekanzler Werner Kogler und Gesundheitsminister Rudolf Anschober (beide Grüne) in Kürzestabständen per TV-Kamera an die Bevölkerung wandte.
Ein Jahr nach Beginn der Pandemie ist das anders. Nach langen Monaten zehrender Dauer-Alarmiertheit grassiert nicht nur das Virus wieder bedrohlicher, sondern auch die Pandemiemüdigkeit. Die Pressekonferenzen sind spürbar seltener geworden - und werden mittlerweile von der Öffentlichkeit bezüglich ihres Informationsgehalts äußerst kritisch beäugt. Das mag nicht zuletzt an Szenen wie im Herbst liegen, als die Regierung für Freitagabend eine Pressekonferenz ansetzte, nur um dort zu verkünden, dass die Entscheidung über die Maßnahmen in einer neuen Pressekonferenz am Samstag verkündet werde.
Verschärfungen für ganz Österreich vorerst abgesagt
Auch das Pressestatement des Bundeskanzlers am Donnerstag war kurz und unauffällig. Es gab auch wenig relevante Neuigkeiten, die man groß verkünden hätte können. In den Gesprächen mit den Intensivkoordinatoren der Länder habe man sich darauf verständigt, die "Regionalisierung" der Maßnahmen fortzusetzen, so Kurz. Im Klartext: Der zunächst beschönigend "Osterruhe" genannte Lockdown für die Ostregion bleibt auf Wien, Niederösterreich und das Burgenland beschränkt. Der von vielen Expertinnen und Experten geforderte harte Lockdown für das gesamte Bundesgebiet ist vorerst abgesagt. Auf Österreichs Intensivstationen zeige sich nämlich aktuell ein regional sehr unterschiedliches Bild, so Kurz. Die Hilfe zwischen den Ländern bei der Aufnahme von Intensivpatienten solle deshalb ausgebaut werden.
Dass der Aufwand bei der Verkündung von Verschärfungen abnimmt, ist wenig überraschend: Die Maßnahmen werden immer unpopulärer. Und niemand überbringt gerne schlechte Nachrichten. Einen Nachteil hat das vergleichsweise stille Gleiten in den Lockdown aber auch. Die politischen Inszenierungen vergangener Tage hatten - eine epidemiologisch vielleicht nützliche - Signalwirkung: Hier passiert gerade etwas Großes und Bedrohliches. Das dürfte zumindest in der früheren Phase der Pandemie Menschen dazu motiviert haben, ihre Kontakte tatsächlich stark einzuschränken.
Genau das ist mittlerweile nicht mehr so. Mit der sinkenden Zustimmung der Bevölkerung zu den Maßnahmen hat sich auch eine Art politische "Reise nach Jerusalem" entwickelt: An wem bleibt es letztlich hängen, Einschränkungen zu verkünden? Wenn Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) "auf das Gesundheitsministerium verwies, das ja Maßnahmen verhängen könne, dann ging es genau darum", sagt Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle zur "Wiener Zeitung".
Auch Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) scheint eine ähnliche Strategie gewählt zu haben. Als ein "Ost-Lockdown" ins Gespräch kam, trat sie an der Seite Doskozils zunächst als Bremserin in Erscheinung. In der "ZiB 2" am Mittwochabend forderte sie plötzlich ebenso Maßnahmen für das gesamte Bundesgebiet wie ihr burgenländischer Amtskollege. Beide spielten den Ball also an das Gesundheitsministerium weiter.
Politologin sieht Vorteil in "Wettbewerb zwischen Ländern"
Dass die Lockdowns stiller werden, hat also auch wesentlich mit dem öffentlichen Kommunikations-Tanz zwischen Bund und Ländern zu tun, kurzum: mit dem heimischen Föderalismus. Und obwohl der in der Pandemie vielfach kritisiert und geschmäht wurde, stellt ihm die Politologin auch mit Blick auf das Maßnahmen- und Impf-Management ein gutes Zeugnis aus: "Ob ein zentraler Plan besser oder schneller gewesen wäre, wissen wir nicht." Einen "Wettbewerb verschiedener Methoden in den Bundesländern" halte sie aber nach wie vor für einen Vorteil, so lange er gut koordiniert sei, sagt Stainer-Hämmerle.
Rechtlich ist der Fall zwischen Bund und Ländern klar: Der Gesundheitsminister kann laut Covid-Maßnahmenverordnung Lockdowns erlassen und ist dafür nicht auf die Zustimmung der Landeschefs angewiesen. Für eine realpolitisch funktionierende Umsetzung mag das ein wenig anders sein. Auch Landeshauptleute und Bezirkshauptleute können für ihre jeweilige Region aber selbständig Verschärfungen erlassen. "Sie können die Maßnahmen des Gesundheitsministeriums allerdings nicht unterlaufen", erklärt Verfassungsjurist Peter Bußjäger. Selbständig strengere Regeln zu beschließen geht aber sehr wohl. Auch Bußjäger sieht trotz des öffentlichen Hickhacks in der Pandemie nicht unbedingt einen Nachteil in föderalistischen Strukturen. Trotz einiger offensichtlicher Probleme, "Stichwort Ischgl, Stichwort Grenzchaos", habe sich das föderalistische Prinzip speziell bei der Vollziehung durchaus bewährt, meint der Föderalismus-Experte.