Am Donnerstag verstarb die Prostituierte Domenica Niehoff, gebürtige Kölnerin, im Alter von 63 Jahren im Hamburger Krankenhaus Altona nach kurzer schwerer Krankheit.
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Bei ihr passte alles zusammen: Die sexuelle Revolution der späten 60er Jahre hatte für Leute ihres Schlages den medialen Boden aufbereitet. Da tauchte aus der Anonymität der Straße das Bild einer herben Schönheit auf, mit streng zurückgebundenem Haar, markanten Backenknochen und einer monströsen Oberweite. Und der deutsche Michel, sofern er nicht ohnehin über ein-"schlägige" Erfahrungen verfügte, lernte, was in der Sprache des Rotlichtmilieus eine "Domina" so treibt. Und dann heißt sie auch noch ausgerechnet "Domenica".
Zu einer Zeit, als es noch nicht salonfähig war, Pornogräfinnen zum Opernball einzuladen, bekannte sich Domenica als Erste offen zu ihrer horizontalen Profession. Schlagartig wird sie zu der bekanntesten Hure Deutschlands, ihr Gesicht zur Medienikone - eine Mischung aus Strenge, Laszivität und Mütterlichkeit.
Bald wird sie von Talkshow zu Interview zu Fotosession weitergereicht. Die Doppelmoral der Mediengesellschaft kann sich an ihr abarbeiten. Sie wird zum Liebling der "Scene", die sich gerne mit dem Paradiesvogel aus dem Milieu schmückt. Und sie selbst macht das Beste daraus, indem sie sich für die gesellschaftliche und rechtliche Anerkennung des ältesten Gewerbes der Welt starkmacht. In der Tat sind in der Grauzone der Illegalität die "Mädchen" der Willkür der Zuhälter, Bordellbesitzer und Freier schutzlos ausgeliefert.
Sie kommt mit den interessantesten Leuten in Kontakt: mit dem französischen Grafiker Tomi Ungerer, dem Poeten Wolf Wondratschek, dem Hamburger Starzeichner Horst Janssen, dem österreichischen Bildhauer Alfred Hrdlicka und dem Ehepaar Gloria und Johannes von Thurn und Taxis. Der Film entdeckt sie unter anderem für "Messalina - Kaiserin und Hure" (1980), "Taxi nach Kairo" (1987), "Fernes Land Pa-isch" (1994). 1993 verfilmt der Österreicher Peter Kern ihr Leben. Sogar auf die Theaterbühne schafft sie es. Um ein Plattencover der deutschen Gruppe "Trio" ("Da da da"), das Domenicas üppiges Dekolleté zeigt, entsteht ein Sturm im Wasserglas.
Mit 45 Jahren hängt sie ihren bisherigen Broterwerb an den Nagel und betreut junge drogenabhängige Prostituierte, die sie von der Straße holen will. Doch nach sieben Jahren hält sie die Arbeit nicht mehr aus. "Ich habe zu viele sterben sehen", sagt sie. Dann macht sie am Hamburger Fischmarkt eine Kneipe auf, die sie aber zwei Jahre später wegen Steuerschulden schließen muss. Kurz darauf stirbt ihr Bruder und hinterlässt ihr genügend Geld, um ihre Verbindlichkeiten zu begleichen. Für einige Jahre zieht sie sich in die Provinz zurück, scheitert mit einer Fremdenpension, die sie im geerbten Haus aufzäumt, um reumütig nach Hamburg zurückzukehren - ein Jahr vor ihrem Ende.
Ihr Leben begann in dem tristen Milieu eines prügelnden Vaters und einer drogenabhängigen Straftäterin. Sie lernte Buchhalterin, verliebte sich aber nur zu bald in einen 25 Jahre älteren Mann, einen Bordellbesitzer. Nach zehnjähriger Ehe erschießt sich ihr Mann vor ihren Augen. Kurz darauf beginnt sie, 27-jährig, als Prostituierte zu arbeiten, zunächst in Bordellen und in der Hamburger Herbertstraße, später im eigenen "Domina"-Salon. Und es endete nach einer Kette von Misserfolgen in dem tristen Milieu des Hamburger Kiezes.
Doch dazwischen stieg sie zur "Mutter der Huren" auf und machte sich um das Schicksal der Verachteten und Ausgebeuteten verdient. Prostitution in Deutschland ist nicht mehr das Gleiche wie vor Domenica.