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Sag zum Abschied leise Servus: Die Innenpolitik hat uns verlassen, und noch hat es fast keiner bemerkt.
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Seit Jahren haben es uns, Europa und Globalisierung sei dank, die Experten vorhergesagt. Sicher, die einen waren darob frohgemut, die anderen fühlten sich verraten. Die Rede ist vom stillen Tod der Innenpolitik.
Kanzler, Vize und all die anderen Faktoten der heimischen Politmenagerie begleiten uns zwar weiterhin durchs Leben. Noch dazu dank zahlloser exklusivster Topstories beinhart recherchierender Magazine und Zeitungen medial quasi allgegenwärtig.
In zahllosen Interviews, Pressekonferenzen und Aussendungen erklären uns die Politiker ihre Sicht der Weltdinge und schreiben Wünsche ans Christkind der internationalen Politik. Selbst jedoch haben sie ihren Gestaltungsanspruch aufgegeben.
Beispiele gefällig:
* Kärnten hat sich pleite regiert, der Bund haftet - politische Konsequenzen allgemeiner Natur: Null;
* der geplante Bau einer Erstaufnahmestelle im Süden Österreichs hält über Wochen die Republik in Atem; vom Termin der burgenländischen Landtagswahl gar nicht zu reden.
* ob überhaupt, und wenn ja, wie viele überflüssige, aber unkündbare Postler zur Polizei wechseln, bewegt die Titelseiten des Landes;
* Parteien wie Kommentatoren diskutieren die Frage, ob, und wenn ja, wie lange, Asylwerber zur Anwesenheit verpflichtet werden können, mit einer Leidenschaft, als ob das Wohl des Landes davon abhinge;
* die Kasernen des Bundesheeres verfallen seit Jahren, nur dass es so lange keinen stört, bis die Volksanwaltschaft den traurigen Zustand der Baracken aufzeigt; dafür gibt es dann aber eine umso größere Entrüstung;
* die Fax-Wahl zum ORF-Publikumsrat beansprucht über Wochen hinweg die Parteiapparate von SPÖ und ÖVP; frage nicht, was geschähe, wenn die gleiche Energie zur Debatte inhaltlicher Konzepte aufgewendet würde .. .
Sie meinen, das wäre polemisch? Höchstens ein bisschen, denn natürlich widmen sich unsere p.t. Politiker auch den großen Themen unserer Zeit, nur: Sie leisten keinen Beitrag zu deren Lösung, ist ihr
Zugang doch rein kontemplativer Natur in der Art von "da sollt ma halt" und "da miaßt ma doch".
In Österreich regiert die Politik, indem sie allen, die es hören wollen, erklärt, wie die Welt ausschauen würde, wenn sie denn etwas zu sagen hätte. Haben sie aber nicht; und deshalb werden Plädoyers für oder gegen strengere Regulatorien für Finanzmärkte, Banker-Boni oder Vermögenssteuern zum Ausdruck politischer Prinzipien. Schließlich ersetzt in einer Mediendemokratie das Wort bereits die Tat.
Werden wir die gute alte Innenpolitik vermissen, jetzt wo sie uns verlassen hat? Wohl nur dann, wenn sich auch Europa hinsichtlich politischer Gestaltungskraft als Phantom erweist. Hoffen wir es nicht, denn irgendwer sollte schon dafür sorgen, dass die Dinge in Angriff genommen werden.
Unser Kanzler, Vize und all die anderen Faktoten bleiben uns ja ohnehin erhalten.