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Der stille, zähe Machtkampf um die Banken

Von Reinhard Göweil

Wirtschaft

Kapitalbedarf in Österreich liegt bei 18 Milliarden. | Erste-Stiftung würde aufgelöst, wenn Anteil an Bank unter 15 Prozent sinkt. | Volksbank will RZB-Anteil abgeben. | Wien. Basel III, das hört sich an wie der Fortsetzungsfilm eines Grusel-Schockers, und für manche Banken könnte es das durchaus werden. Denn das Kürzel hat im Bankenapparat einen Machtkampf ausgelöst, der in aller Stille, aber mit großer Verbissenheit ausgetragen wird. | Die wichtigsten Bestandteile des neuen Kapitalregimes 'Basel III' im Überblick | Heimische Banken bestehen EBA-Test | Die Wut-Gesellschaft


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Es geht dabei um die künftige, europaweit geltende Kapital-Ausstattung der Banken. Und allein den heimischen Geldinstituten fehlen nach diesen neuen Regeln mindestens 18 Milliarden Euro. Sie sollen im Juni vom EU-Parlament abgesegnet werden, EU-Kommissar Barnier kommt in Kürze mit dem 500-Seiten-Papier.

Struktur betoniert

Betroffen in Österreich sind alle Sektoren, Sparkassen, Raiffeisen, die Volksbanken und der Hypo-Sektor. "Nicht die Aufbringung des Kapitals ist das Problem", so ein Bankenaufseher zur "Wiener Zeitung", "sondern es geht darum, wer danach in den Banken das Sagen hat. Basel III rührt an den Eigentümerstrukturen." Abseits der an die italienische Unicredit verkauften Bank Austria sind diese Strukturen in den großen österreichischen Bankengruppen in Beton gegossen: Die RZB-Gruppe gehört zu 78,5 Prozent den Raiffeisen Landesbanken: Christian Konrad (Niederösterreich) und Ludwig Scharinger (Oberösterreich) haben dort das Sagen. Die an der Börse notierende Raiffeisen Bank International kommt auf sechs Prozent Streubesitz. Im Sparkassensektor hat die Erste Bank das Sagen. Deren Haupteigentümer, die Erste-Stiftung, ist mit 25,3 Prozent bestimmender Eigentümer. Dort ist Andreas Treichl der Chef, der auch die Bank seit mehr als zehn Jahren leitet. Und im Volksbanken-Sektor halten die einzelnen Volksbanken 58 Prozent an der ÖVAG. Sie bestimmen, was dort passiert, wer Generaldirektor wird und was bzw. wer finanziert wird. Hans Hofinger ist seit 20 Jahren das Gesicht der Volksbanken.

Basel III bringt all dies ins Wanken. Nicht nur in Österreich. Bank-Bosse und ihre Lobbyisten belagern derzeit die EU-Kommission in Brüssel. Deren zuständiger Kommissar Barnier kann sich vor lauter Terminen kaum retten.

"Die Banken kommen ständig zu uns und erklären uns, die Krise ist vorbei, ihr braucht uns jetzt, um den Unternehmen Kredite zu geben", ist aus EU-Kreisen zu hören. Was sich erpresserisch anhört, ist durchaus so gemeint: Wenn die Banken höheres Eigenkapital ansammeln müssen, hätten sie weniger Geld zur Verfügung, um Handel und Gewerbe zu finanzieren - und die Wirtschaft anzukurbeln. Das Argument wurde auch gehört. Die Kommission wird für Frankreich (Versicherungsbeteiligungen) und Deutschland (Genossenschaftsbanken) Ausnahmen vorsehen. Davon profitiert auch Raiffeisen.

Die Erste-Stiftung

Dabei ist das Regelwerk ein Ausfluss der Finanzkrise: Die Banken - so die Überlegung der Zentralbanken - können nicht noch einmal mit so vielen Milliarden gerettet werden. Sie müssen mehr eigenes Kapital aufbauen, um Turbulenzen ohne Staatshilfen zu überstehen. Eine allgemein begrüßte Idee, aber da die Finanzwirtschaft so komplex und unüberschaubar geworden ist, ist auch das neue Regelwerk komplex und unüberschaubar. Was die Banker dabei gerne verschweigen: Im Kampf um die neuen Kapitalvorschriften geht es eben auch um Macht und Einfluss. Beispiel Erste Gruppe, die an der Spitze des Sparkassensektors steht. Es geht dabei um einen Marktanteil am heimischen Bankensektor von zirka 25 Prozent, die Gruppe beschäftigt in Österreich und Osteuropa 50.200 Mitarbeiter. Die Bank ist wesentlicher "player" in Osteuropa. Ihre Manager verdienen sehr gut, nun wird auch der Aufsichtsrat doppelt so hoch entlohnt wie davor.

Kurz: Die Bank hat Geld, sie ist wichtig - für Einzelne, politisch und wirtschaftlich. Der Haupteigentümer Erste Stiftung hat eigentlich kein Geld. Sie lebt von den Dividenden-Erlösen der Bank, die machen heuer 67 Millionen Euro aus. Nun hat die mit 950 Millionen verschuldete Stiftung ein Problem: Bei Kapitalerhöhungen tut sich die Stiftung hart mitzuziehen. In der Urkunde der Stiftung steht, wie einem Anleiheprospekt zu entnehmen ist, dass sie aufzulösen ist, "wenn die Beteiligung der Privatstiftung an der Erste Group Bank unter 15% des stimmberechtigten Aktienkapitals absinkt." Derzeit sind es 25,3 Prozent. Jede Kapitalerhöhung der Bank könnte also den Anteil der Stiftung weiter sinken lassen. "An eine Kapitalerhöhung ist nicht gedacht", beruhigt Erste-Sprecher Mauritz. "Wir werden mit einbehaltenen Gewinnen auskommen." Die Erste will in Kürze das Staatskapital zurückzahlen, 1,2 Milliarden Euro. Danach fällt die Kapitalquote auf acht Prozent, das ist das unter Ende der neuen Vorschriften.

Sparkassen-Anteile

Die Erste ist doppelt unter Druck: Sie rechnet Eigenmittel der Sparkassen in ihre Bilanz ein, weil es einen Sparkassen-Haftungsverbund gibt und ohne dass sie diese beherrscht. Der Haftungsverbund ist eine Sicherheit, die in hohem Maß von der mit Abstand größten Sparkasse des Landes, der Erste Bank, geleistet wird. Dafür werden Eigenmittel aller Sparkassen eingerechnet - und das wieder befördert das Wachstum der Erste Bank. Die Sparkassen werden also ihren 4,2-prozentigen Anteil an der Erste in eine gemeinsame Gesellschaft einbringen, um es anrechnen zu können. "Das wird das Kapital erhöhen", so Mauritz. Es geht um 120 Millionen.

Die bestehende Konstruktion wird mit Zähnen und Klauen verteidigt, nun hat sogar die Erste-Stiftung über Luxemburg ein Anleiheprogramm aufgelegt und um 440 Millionen Euro verkauft. "Die Stiftung hält die Anteile der Bank. Der Anleihezeichner ist fast ein Aktionär", sagte ein Analyst zur "Wiener Zeitung". Auch die Finanzmarktaufsicht interessiert sich mittlerweile für dieses Anleiheprogramm. Treichl ließ aber schon - so war zu hören - in kleinem Kreis verlauten, dass er sich eher von der tschechischen Sparkasse (der wesentlichen Osteuropa-Beteiligung der Erste) trennen würde als die Erste-Stiftung aufzugeben. "Er wird sich im Ernstfall politisch durchsetzen", ist aus Aufsichtskreisen zu hören.

Machtblock Raiffeisen

Etwas besser geht es im Moment dem Raiffeisen-Bankensektor, der mit 30 Prozent Marktanteil, 59.000 Mitarbeitern und einem einmaligen politisch-wirtschaftlichen Geflecht den Machtfaktor in Österreich schlechthin darstellt. Die RZB-Gruppe, zu der die börsenotierte Raiffeisen Bank International gehört sowie der Versicherer UNIQA, steht zu 31 Prozent im Eigentum der Landesbank NÖ-Wien. 15 Prozent hält die RLB Oberösterreich, knapp dahinter die RLB Steiermark mit 14 Prozent.

Den Haupteigentümern Nieder- und Oberösterreich droht nun Ungemach. Auch dort gibt es - aus den Genossenschaften entstanden - eine Art virtuelles Kapital, das als Ausfallshaftung konzipiert wurde, aber in Form realer Euro in der Bilanz unter Eigenkapital zu finden ist.

Raiffeisen bringt aber enormes wirtschaftliches und politisches Gewicht auf die Waage. Die Raiffeisen Holding Niederösterreich, die von deren Boss Christian Konrad aufgepäppelt wurde, kontrolliert 680 Beteiligungen, die klingenden Namen sind Strabag, Agrana, NÖM, Leipnik-Lundenburger sowie die Medienbeteiligung Medicur, zu der "Kurier" und Anteile am "profil" gehören, sowie an den Sendern des ORF und die Plakatwerbung epamedia. Die dazugehörigen Immobilienbeteiligungen füllen Bände.

Raiffeisen Oberösterreich, unter Führung von Ludwig Scharinger, hat in Westösterreich ein vergleichbares Imperium gebildet: 500 Firmenbeteiligungen, von der Voest bis zu Maresi. Alles in allem (mit den Lagerhäusern) dürfte Raiffeisen außerhalb des Finanzbereichs noch an Firmen mit mehr als 100.000 Mitarbeiter nur in Österreich beteiligt sein.

"Raiffeisen kann nicht alles gehören in Österreich. Ich denke, das ist auch ein Grund, warum sich die eher rote Wiener Städtische und die eher schwarze Erste Bank so gut verstehen", sagte ein Banker zur "Wiener Zeitung".

In Wahrheit bestimmen Konrad, Scharinger sowie deren engste Vertraute wie RZB-Boss Walter Rothensteiner über das Giebelkreuz-Imperium. Basel III bringt das ein bisschen durcheinander, weil die dadurch notwendigen Kapitalerhöhungen die Landes-Fürsten an die Grenze ihrer Finanzierungskraft führen. Wenn der Streubesitz ausgedehnt wird, wird aber unkontrollierbar, wer die Aktien aufkauft.

Sieg in Brüssel

"Die Vorstellung, dass es in der Raiffeisen Bank International einen Dritt-Aktionär gibt, der zehn Prozent Anteile hält, einen Aufsichtsrat verlangen kann und aktienrechtliche Sonderprüfungen, wird dort schlicht abgelehnt", sagte ein Banker, der nicht namentlich genannt werden wollte. Walter Rothensteiner sieht das entspannt: "Die heimischen Banken machen jährlich ausreichend Gewinne, um den zusätzlichen Kapitalbedarf damit decken zu können, das sollte sich ausgehen." Er kann das etwas entspannter sehen als sein Kollege Treichl, denn Raiffeisen hat sich - mit deutscher Unterstützung - in Brüssel bei der EU-Kommission durchgesetzt: Die durchgerechneten (also eigentlich zweimal verwendeten) Anteile der Raiffeisenbanken am Spitzeninstitut können bleiben. Basel III wird in diesem Sinne entschärft. "Es geht in diese Richtung", bestätigte Rothensteiner vorsichtig. "Die Kommission trägt der Dreistufigkeit des Sektors Rechnung." Wenn dies nicht anerkannt worden wäre, hätte der heimische Raiffeisensektor erhebliche Kapital-Probleme bekommen.

EU-Papier in Kürze

Aber auch so kommt einiges auf die Raiffeisen Landesbanken zu. Aufsichtsrats-Boss Christian Konrad hat schon angekündigt, dass es in der Raiffeisen Bank International zu Kapitalerhöhungen kommen wird. Wenn das Institut insgesamt Aktien um zwei Milliarden Euro verkauft und die Landesbanken nicht mitziehen, würde deren Anteil gemäß der aktuellen Börsekapitalisierung von 78 Prozent auf nur noch knapp über 50 Prozent rutschen.

Die Landesbanken als Eigentümer müssen also mitmachen, haben aber begrenzte Ressourcen, weil sie viel kleiner sind als das Eigentum selbst.

Und sie sollten noch etwas machen: Die Volksbanken AG will ihre 5,2 Prozent an der RZB ebenfalls verkaufen, auch dort wird dringend "echtes" Kapital gebraucht. Rothensteiner: "Die Landesbanken dürften Interesse haben, aber wir haben damit keine Eile." Vermutlich aber die Volksbanken, die sich von diesem Verkauf 500 Millionen Euro versprechen.

Ebenfalls Kapital- und Liquiditätsbedarf hat der Hypo-Sektor. Die Hypothekenbanken stehen mehrheitlich im Besitz der Länder, in Oberösterreich, Salzburg und der Steiermark ist Raiffeisen beteiligt. In Linz und Graz wird man bei Raiffeisen also Geld in die Hand nehmen müssen, um diese Banken-Beteiligungen fit für 2018 zu machen.

Ost-Kapitalaufschlag?

Das endgültige Papier der EU-Kommission zu den Kapitalvorschriften der Banken wird in Kürze vorliegen und soll noch vor der Sommerpause durchs EU-Parlament. 2018 wird es in Kraft treten, für Kapitalerhöhungen gibt es eine zehnjährige Übergangsfrist.

"Die heimischen Banken verdienen jährlich fast 4,5 Milliarden", sagte ein Notenbanker. "Sie dürfen halt nicht zu viel an Dividende ausschütten." Das Problem: Ohne die Dividende der großen Banken schauen die weniger großen Eigentümer bei Sparkassen, Raiffeisen und Volksbanken bei weitem nicht mehr so toll wie aus wie derzeit.

Und nächstes Problem: Die heimischen Banken müssen (ohne Hypo Kärnten) 4,5 Milliarden Euro Staatskapital zurückzahlen. Und: Die heimische Nationalbank überlegt, wegen des hohen Osteuropa-Risikos der großen Banken den Mindestkapital-Anteil von acht Prozent autonom zu erhöhen. Das ist nach Basel III möglich, wird von den heimischen Banken aber vehement bekämpft. "Am Ende werden die Banken dabei gewinnen", so ein Finanzexperte. "Sie sind näher an der Politik."