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Der strenge Staat

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
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Es stimmt schon, dass keine konservative Volkspartei die rechte Mitte vernachlässigen darf. Das Predigen von Law & Order, gerne auch deftig, gehört deshalb zur politischen DNA solcher Parteien. Die jüngsten Ideen für eine restriktivere Drogenpolitik von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner fallen unter diese Rubrik. Das ist ihre Rolle im Drehbuch ihrer Partei und freut die durchaus zahlreichen Kernwähler am Land und die immer weniger werdenden in der Stadt.

Das ist die leichtere Pflichtübung für die ÖVP. Die Kampfansage an soziale Trittbrettfahrer und Kriminelle liegt ohnehin jedem durchschnittlichen bürgerlichen Politikaspiranten im Blut.

Die wesentlich mühsamere Pflichtübung bürgerlicher Volksparteien ist die Bewahrung einer liberalen Grundhaltung. Eine solche gilt jedoch in Österreich als Stimmentod, zumindest besagt das ein in Politikerkreisen behutsam gehegter Mythos; als Beleg wird dann gerne auf die Geschichte der vergangenen hundert Jahre sowie auf das klägliche Scheitern des Liberalen Forums verwiesen.

Aber selbst wenn eine liberale Grundhaltung nicht zum Gassenhauer taugt, ändert das nichts an ihrer Notwendigkeit für die Republik. Gerade eine bürgerliche Partei, die ansonsten das Lob der Zivilgesellschaft ganz vorne auf der Zunge trägt, sollte sich dessen bewusst sein. Es sei denn, sie versteht sich allein als Fürsprecher einer staatlichen Ordnungsmacht, die so viel wie möglich - und am liebsten alles - über das Tun und Lassen ihrer Bürger wissen will. Und abspeichern sowieso. Man weiß ja nie, wofür man die Informationen nicht noch einmal braucht.

Es ist ein bedrückendes Faktum, dass das letzte genuin österreichische liberale Element unserer Verfassungsordnung, das Staatsgrundgesetz, aus dem Jahr 1867 stammt; hier sind die allgemeinen Rechte des Staatsbürgers gegenüber dem Staat festgehalten. Seitdem wurden praktisch sämtliche Fortschritte auf diesem Gebiet importiert, etwa die Menschenrechtskonvention.

Offensichtlich fehlt unseren staatstragenden Parteien ganz einfach das notwendige Gespür für dieses Thema. Sie wollen die Menschen immer nur vor jedem nur erdenklichen Unglück dieser Welt beschützen - die Bauern, den Mittelstand, die Familien, die Mieter und wen oder was auch immer, selbst unser Wasser - aber nie ermächtigen. Man darf das getrost als Armutszeugnis für diesen Staat begreifen.