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Der Stress mit der Atomkraft - Viele Ideen mit wenig Durchsetzungskraft

Von Georg Friesenbichler

Analysen

Bundeskanzler Werner Faymann will also ein EU-Volksbegehren gegen die Atomkraft. Das ist eine schöne Idee, auch wenn sie die Grünen schon vorher hatten. Es sind dies übrigens dieselben Grünen, die Umweltminister Nikolaus Berlakovich für seine AKW-Stresstests, mit denen er bei der EU reüssierte, rügen. Diese hülfen nur der Atomlobby, höhnen sie, weil diese frühestens am Jahresende eingeführt werden können.


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Die Institution des europaweiten Volksbegehrens, das Grüne und SPÖ in schöner Eintracht anstreben, wird es freilich noch später geben, nämlich erst ab März 2012. Und dann beginnt zunächst ein endloser Fristenlauf, an dessen Ende erst wieder die EU-Kommission entscheidet, wie mit dem Begehren zu verfahren ist - ein Beweis übrigens dafür, wie fahrlässig die EU mit ihrem Versprechen von mehr direkter Demokratie umgeht. Fazit: Ein Gesetz zur Atomkraftnutzung würde frühestens in zwei Jahren wieder zum Thema.

Bloß, dass nach geltender Rechtslage die EU für Kernenergie gar nicht zuständig ist. Die Kompetenzen liegen ausschließlich bei den Mitgliedsländern. Beobachter sehen dies als eigentlichen Skandal, ist doch die EU sonst mit einheitlichen Normen etwa zu Traktorsitzen weit weniger zurückhaltend. Ein zaghafter Vorstoß Österreichs, das sich wegen der grenznahen AKW bei den damaligen Beitrittsländern Tschechien, Slowakei, Ungarn und Slowenien Sorgen machte, war schon 2004 gescheitert - am Widerstand großer Staaten, deren Konzerne mit Atomstrom und AKW-Bauten gute Geschäfte machen. Unter ihnen fand sich auch Deutschland, in dem die bis 2005 regierende rot-grüne Koalition den Atomausstieg längst beschlossen hatte.

Jetzt ist es ausgerechnet Bundeskanzlerin Angela Merkel von der CDU, die sich für europaweit hohe Sicherheitsstandards starkmacht. Aufgrund ihrer bisherigen Atompolitik sehen diese Kehrtwende aber nicht nur die Oppositionellen, sondern laut jüngsten Umfragen auch knapp 70 Prozent der Deutschen lediglich als taktisches Manöver vor den Landtagswahlen an. Bei der EU-Debatte darüber, wie streng die Kriterien für die Stresstests ausfallen sollen, wird sie beweisen können, wie ernst sie es wirklich meint.

Die Stresstests werden von Experten aber ohnehin nicht als der Weisheit letzter Schluss gesehen, weil jene nicht alle Schwachstellen aufspüren können. Folgenschwerer könnte der Forderungskatalog sein, der auf die vorläufig abgeschalteten deutschen Kraftwerke abzielt. Jedes AKW in Deutschland (und wohl auch europaweit) müsste außer Betrieb gehen, weil keines den strengen Kriterien entspricht - wenn sie denn auf alle Atomkraftwerke angewendet werden würden.