Obama hielt sich bei erster Rede mit Versprechen zurück. | Westen bekam in Kopenhagen seine Machtlosigkeit zu spüren. | Kopenhagen. Was mit der Finanzkrise begonnen hat, setzt sich mit der Klimakrise fort: Die Industrieländer haben beide Krisen ausgelöst, aber ohne den Beitrag der Entwicklungs- und Schwellenländer können sie sie nicht lösen.
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Es war eine Erinnerung an eine untergehende Welt: Sämtliche in Kopenhagen anwesenden Staats- und Regierungschefs, von Brasiliens Lula da Silva über Chinas Wen Jiabao zu Russlands Dmitri Medwedew, nahmen im Saal Platz und warteten auf ihren Zeitpunkt zu reden. Allein US-Präsident Barack Obama kam nur für seinen eigenen Auftritt. Was er zu sagen hatte, war zumindest vor diesem Publikum belanglos: Der frisch ausgezeichnete Friedensnobelpreisträger wiederholte bekannte amerikanische Positionen. Dabei war von ihm erwartet worden, er würde den Durchbruch bringen. Es kam nichts. Obama fürchtet wohl die innenpolitischen Folgen. Im Land herrscht Arbeitslosigkeit. Da würde es nur schaden, sich in Kopenhagen zu Maßnahmen zu verpflichten, die zuhause als eine Stärkung des Konkurrenten China interpretiert werden: Im nächsten Herbst sind Kongresswahlen.
Umweltorganisationen als neue Macht
Eine solche innenpolitische Rücksicht ist verständlich. Aber alle Teilnehmer in Kopenhagen haben innenpolitische Themen im Rücken. Nur die USA erwarten immer noch, dass sich die Welt darum dreht, was im Pub in Chicago geredet wird. Damit haben sie sich von der globalen Führungsrolle verabschiedet.
Das ist zumindest in der Klimapolitik nicht mehr der Fall. Bereits die Anwesenheit Obamas und seiner 120 Amtskollegen bewies die Macht von Akteuren, die nicht mit am Verhandlungstisch saßen: Kleine wie große, lokale wie internationale Umweltschutzorganisationen haben erreicht, dass die Klimapolitik jetzt ganz oben auf der internationalen Agenda steht. Und sie haben in den Wochen vor dem Gipfel erzwungen, dass die Teilnehmer eine Einigung in Kopenhagen zur Chefsache machten.
Auch innerhalb des Konferenzzentrums haben sich die Kräfteverhältnisse verschoben. Zwar waren nicht alle 193 Teilnehmerländer gleich. Aber die Macht war nicht mehr nach den alten Maßstäben verteilt. Das wurde sichtbar, als Tuvalu am Donnerstag verlangte, das 2-Grad-Ziel zu verschärfen. Es brauche eine Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 Grad, verlangte der pazifische Inselstaat, in dem weniger Menschen leben, als im Kopenhagener Bella Center zusammengekommen waren.
Prompt horchten die Diplomaten auf. "Tuvalu ist bei diesen Verhandlungen nicht klein", sagte der Chefunterhändler eines Industrielandes. Am nächsten Tag schlug Äthiopiens Präsident Meles Zenawi als Sprecher Afrikas vor, das 2-Grad-Ziel 2014 zu überprüfen.
Zenawi selbst verkörpert die gewandelten Kräfteverhältnisse: Sein Vorschlag für die Finanzierung des Klimaschutzes bildet die goldene Mitte, die auch von den Industrieländern akzeptiert werden kann. Dabei ist er kein blütenweißer Demokrat: Vor dem Kongresszentrum protestierten Vertreter der Befreiungsbewegung von Ogaden gegen die Unterdrückung durch den äthiopischen Staat. Aber Menschenrechte, vom Westen so lange hoch gehalten, spielten am Gipfel keine Rolle. Ausgerechnet der Sudan, der seine schwarzen Bürger in Darfur hinmetzeln lässt, vertrat turnusgemäß die G77, die 134 Staaten umfassende Gruppe der Entwicklungsländer. Am Freitag mischte sich auch Simbabwes Robert Mugabe unter die Staats- und Regierungschefs. Die EU, deren Mitglied Dänemark ist, hat eine Einreisesperre gegen ihn ausgesprochen.
Schwellenländer übernehmen Führung
Der Westen hat in Kopenhagen seine Machtlosigkeit zu spüren bekommen. Er hat nun offiziell seine Verantwortung für die Klimakrise anerkannt. Damit ist er in der Pflicht, auch den größten Beitrag zu ihrer Lösung zu leisten. Doch großer Beitrag heißt nicht großer Einfluss. Gerade Europa hat sich als Vorreiter des Klimaschutzes verstanden. Trotz großer Vorleistungen musste es sich bis zum letzten Tag Vorhaltungen anhören, es wolle seine eigenen Versprechen aufweichen.
Die Gestaltungsmacht liegt heute eindeutig bei den großen Schwellenländern. Brasiliens Präsident Lula da Silva konnte es sich am Freitag in Kopenhagen leisten, einen eigenen finanziellen Beitrag für den Klimaschutz in den Entwicklungsländern anzubieten. Chinas Ministerpräsident Jiabao trat als Schutzmacht für die armen, kleinen und afrikanischen Staaten auf. Und Indiens Ministerpräsident Manmohan Singh rief nach der enttäuschenden Rede Obamas dazu auf, die Verhandlungen doch noch fortzusetzen.
Die Schwellenländer haben in Kopenhagen die Führung übernommen. Sie werden sie so schnell nicht wieder abgeben.