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Der Südsudan muss dringend die Straffreiheit angehen

Von Adama Dieng

Gastkommentare
Adama Dieng ist Untergeneralsekretär und Sonderberater des Generalsekretärs der Vereinten Nationen für die Verhütung von Völkermord.

Seit Beginn der Kämpfe im Dezember 2013 haben Regierung und Rebellen wiederholt die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht verletzt.


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Der südsudanesische Präsident Salva Kiir hat im Krieg gegen die Rebellen seines früheren Stellvertreters Riek Machar ein Friedensabkommen unterzeichnet. Seit Beginn der Kämpfe im Dezember 2013 haben sowohl Regierung als auch Rebellen wiederholt die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht verletzt: durch außergerichtliche Hinrichtungen, willkürliche Inhaftierungen, Folter, Massenvergewaltigungen, Plünderungen und Zwangsvertreibungen. Die Brutalität und Grausamkeit übersteigt jegliche Vorstellungskraft. Tausende Zivilisten wurden bis heute getötet, mehr als eineinhalb Millionen wurden vertrieben. Die weitverbreiteten und systematischen Angriffe gegen Zivilisten bezeichnen manche als Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, und die Verursacher müssen zur Verantwortung gezogen werden. Während die Bevölkerung weiterhin die Last des Konfliktes trug, waren ihre Führer mit endlosen Gesprächen beschäftigt, reisten zwischen dem Südsudan, Addis Abeba und Dar es Salaam hin und her. Sinnvolle Ergebnisse wurden lange nicht erzielt, dafür gingen die Kämpfe unvermindert weiter, genauso wie die Verbrechen beider Seiten.

Am 7. März 2014 rief die Afrikanische Union eine Untersuchungskommission für den Südsudan ins Leben. Es war die erste derartige Kommission seit der Gründung der Afrikanischen Union. Sie hatte das Mandat, Anschuldigungen von Menschenrechtsverletzungen und Missbrauch, die während des Konfliktes begangen wurden, zu untersuchen und Empfehlungen abzugeben, um solche Verletzungen in Zukunft zu verhindern.

Fast ein Jahr nach Beendigung der Arbeit und sechs Monate, nachdem die Untersuchungskommission ihren Bericht an den African Union Peace and Security Council übermittelt hat, herrscht eisiges Schweigen. Nichts wurde unternommen, um die Empfehlungen umzusetzen.

Als ich Präsident Kiir und Ex-Vizepräsident Machar im April 2014 im Südsudan traf, versprachen beide, dass die für die Gräueltaten Verantwortlichen vor Gericht gestellt würden. Beide erklärten, die Einbindung der Maßnahmen im Rahmen der Rechenschaftspflicht in ein umfassendes Friedensabkommen zu unterstützen. Tatsächlich haben sie sich in der im Jänner 2015 unterzeichneten ursprünglichen Vereinbarung verpflichtet, ein Gerichtsverfahren einzuleiten, das jene, die diese Gräueltaten begangen hatten, strafrechtlich verfolgt.

Es wäre ein Fehler zu glauben, dass nachhaltiger Friede und nationale Aussöhnung im Südsudan erreicht werden könnten, ohne Verantwortung für die begangenen Verbrechen zu übernehmen. Amnestie ist keine Option.

Ich dränge die Afrikanische Union, das Richtige zu tun - den Bericht der Untersuchungskommission öffentlich zu machen und seine Empfehlungen umzusetzen. Die notwendige Gerechtigkeit zu ignorieren, wird den Konflikt im Südsudan nicht lösen. Wir müssen den Zyklus der Straflosigkeit, der diesen Konflikt schürt, beenden. Wenn nicht, versagen wir gegenüber den Südsudanesen und scheitern wieder einmal in unserer Verantwortung, unsere Völker vor Genozid, Kriegsverbrechen, ethnischen Säuberungen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu schützen.