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Der Sündenfall des Jiri P.

Von Michael Schmölzer

Analysen

Tschechien ist das Land der merkwürdigen Regierungskonstellationen. So konnten sich die Sozialdemokraten lange mit Hilfe eines Stillhalteabkommens an der Macht halten, das sie mit der oppositionellen konservativen ODS geschlossen hatten. Seit einem Jahr stützt sich Premier Jiri Paroubek bei der Durchsetzung seiner Interessen aber zunehmend auf die oppositionellen Kommunisten. Diese sind direkt aus der alten KP hervorgegangen und haben noch kaum damit begonnen hat, ihre totalitäre Vergangenheit kritisch zu hinterfragen.


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Während sich die Kommunisten bei vielen Rentnern und Arbeitslosen großer Beliebtheit erfreuen, lösen sie bei der Mehrheit der Tschechen ungute Erinnerungen an die Diktatur vor 1989 aus. Ein Sozialdemokrat westeuropäischen Zuschnitts sollte mit einer solchen Partei nicht zusammenarbeiten, meinen sie. Dass Paroubek es dennoch tut, stellt für viele einen Sündenfall dar, der die Sozialdemokraten unwählbar macht. Darüber hinaus hat der Premier seine Regierungspartner, die dem bürgerlich-liberalen Lager angehören, zunehmend übergangen - die Rechnung auch dafür ist noch ausständig.

Das alles hat zur Folge, dass der Mann, der im Frühjahr 2005 Stanislav Gross, der über eine Affäre um die Finanzierung seiner Eigentumswohnung gestolpert war, ziemlich isoliert dasteht. Dass die Paroubek-Partei gemeinsam mit den Kommunisten die Mehrheit von 101 Mandaten erreichen, ist mehr als unwahrscheinlich. Im Gegensatz zu Ungarn, wo sich die Sozialdemokraten zuletzt behauptet haben, könnte es deshalb in der Nachbarschaft Österreichs nun zu einem Machtwechsel kommen.