Entscheidung liegt bei jeweiliger Schule. | Kein Verbot wie in anderen Ländern. | Niemand kennt Automaten-Anzahl. | Wien. Österreichs Kinder sind zu dick und - laut jüngsten Studien - Europameister in ungesunder Ernährung. Will man nun wissen, wer das Jausenangebot heimischer Schulen koordiniert, geht man leer aus. Während etwa Frankreich, Großbritannien oder die USA Süßigkeiten- oder Getränke-Automaten längst aus Schulen verbannt haben, gibt es in Österreich lediglich "Empfehlungen" für gesunde Jausen. Die Ärztekammer Wien fordert nun zum Schulbeginn ein generelles Verbot ungesunder Nahrung in Schulen.
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Wie viele Automaten mit welchem Inhalt in den rund 6650 Schulen in Österreich stehen, kann oder will niemand sagen. "Vereinbarungen über Automatenaufstellung können vom jeweiligen Elternverein unter Einbeziehung der schulpartnerschaftlichen Gremien abgeschlossen werden", heißt es etwa trocken aus der Wiener MA56. Vorgeschrieben sei lediglich "die Berücksichtigung bau- und feuerpolizeilicher Bestimmungen (Fluchtwege etc.)".
Im Büro von Jugend-, Sport- und Schulstadträtin Grete Laska (SPÖ) weist man auf Anfrage darauf hin, dass "rund 18.000 Wiener Schüler/Innen an den 90 ganztägig geführten Schulen Mittagessen mit einem seit heuer von 30 auf 40 Prozent angehobenen Bio-Anteil" erhalten.
Was in den insgesamt 670 Wiener Schulen (352 davon Pflichtschulen) sonst noch für gutes Geld auf Knopfdruck vernascht werden kann, weiß Sprecherin Monika Sperber nicht. "Das ist Sache der jeweiligen Schule", sagt sie.
Wie groß der Handlungsbedarf auf diesem Sektor ist, zeigt etwa ein Lokalaugenschein im Sacre Coeur Pressbaum (private Volks- und Mittelschule mit Öffentlichkeitsrecht, Bez. Wien-Umgebung, NÖ): Hier finden im Sommer Diät-Ferien für übergewichtige Kinder statt; drei Wochen kosten 1015 Euro.
"Genieße das Leben"
In der Eingangshalle passieren die kostreduzierten Kinder tagtäglich mehrmals einen Süßigkeiten-Automaten mit zehn verschiedenen Nasch-Produkten; daneben locken unter dem Logo "Genieße das Leben" diverse süße Getränke, gefolgt von einem Kaffeeautomaten.
"Das passt nicht wirklich gut zusammen", erklärt Kerstin Hörmann vom niederösterreichischen Landesschulrat. In den Bundesländern seien solche Automaten Sache der jeweiligen Gemeinde, sofern es sich um eine öffentliche Schule handelt. Zahlen über das Automatenangebot kann auch sie keine nennen.
Eine Umfrage der "Wiener Zeitung" unter den Landesschulräten der anderen Bundesländer beantworteten nur Tirol und das Burgenland - mit ähnlichen Ergebnissen. Was wenig verwundert, denn auch von oben gibt es zum Thema Schulernährung nur Empfehlungen.
So verweist das Gesundheitsministerium diesbezüglich auf das gemeinsam mit dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger und dem Unterrichtsministerium initiierte Projekt "Gesunde Schule". Ziel sei es, so Sprecher Markus Leithner, "Gesundheitsförderung an Schulen nachhaltig zu verankern".
Zentraler Kerninhalt des Projektes sei Qualitätssicherung; man habe sogar eigene Standards für die Bereiche Ernährung, Bewegung, Psychosoziales, Sucht und Materielle Umwelt entwickelt, die auch für externe Dienstleister gelten. Der Konsum von Wasser als Durstlöscher soll forciert werden - ein Verbot von Getränkeautomaten werde immerhin geprüft.
Leithner verweist auch auf den sogenannten "Buffet-Erlass" des Unterrichtsministeriums, der stark zuckerhältige Speisen und Getränke als ungeeignet für Schulbuffets definiert. Ähnliche Aktionen gebe es auch in den Bundesländern unter dem Titel "Gesunde Jause".
Keine Stellungnahme
Im Unterrichtsministerium selbst gab man trotz wiederholter Anfrage dazu keine Stellungnahme ab.
Seitens des Getränke-Multis Coca Cola verweist man auf die "breite Produkt-Palette, von Coca Cola, Fanta, Sprite über Fruchtsaft und isotonische Getränke bis zu Mineralwasser", so Sprecherin Monika Polster. In den Volksschulen stelle man keine Automaten auf, alle anderen Schulen könnten wählen. "Wir bieten die ganze Palette an, entscheiden tut die Schule", sagt Polster. Auch sie kann keine Zahlen nennen, "weil wir zahlreiche und oft auch regional stark verwurzelte Mitbewerber in der Branche haben". Einen Zusammenhang zwischen Schul-Sponsoring und Getränke-Order weist sie weit von sich.
Die Ärztekammer Wien jedenfalls kritisiert aus aktuellem Anlass "die häufig viel zu ungesunden Buffets in den Wiener Schulen". Vereinzelte Projekte mit biologischen oder vollwertigen Jausen genügten nicht; "Gesundheit muss für alle erreichbar sein. Fast Food oder ähnlich ungesunde Nahrung haben in Bildungseinrichtungen nichts verloren", fordert Präsident Walter Dorner rasch ein entsprechendes Verbot.
Siehe auch Seite 21