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Der Tag 0: Die gefährlichste Zeit der Diät ist vor der Diät

Von Pete Sahat

Wissen

Aller Anfang ist schwer.|Das gilt gerade bei einer Lebensstiländerung.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Die schlimmste Zeit bei einer Diät? Eindeutig der Tag 0. Dieser Tag oder vielmehr diese Zeitspanne erstreckt sich von der Entscheidung eine Diät zu machen bis zum tatsächlichen Beginn der Ernährungsumstellung.

Bei manchen Menschen mag dieser Tag 0 tatsächlich ein Tag sein. Heute mag ich abnehmen und morgen geht es los. Ich tendiere leider eher zu der Variante morgen geht es los also esse ich heute noch, was ich morgen nicht mehr essen darf. Und dummerweise beginnt dann die Diät doch nicht morgen. Sondern Übermorgen. Oder erst in einer Woche. Da ich aber in Wahrheit jederzeit mit der Ernährungsumstellung starten könnte, ist jeder Tag, dieser Tag an dem ich noch einmal etwas esse, was ich während der Diät nicht mehr so schnell essen werde. Somit ist der Tag 0 in Wahrheit für mich einfach nur eine Phase des Zunehmens.

Man muss abnehmen wollen
Mein Tag 0 scheint, rückblickend betrachtet, eine 20-jährige Vorbereitungsperiode für das kommende Jahr gewesen zu sein. Seit ich beschlossen habe abzunehmen - im zarten Teenager-Alter, folgten unzählige Versuche das Wohlgefühlgewicht zu erreichen und auch zu halten, aber schlussendlich habe ich mein Ausgangsgewicht immer nur übertroffen. Und nun, schreibe ich, schwerer als jemals zuvor, diese Zeilen und versuche herauszufinden, woran das wohl liegt.

Die Antwort ist ebenso simpel, wie schwer umsetzbar: Man muss abnehmen wollen. Wirklich wollen. Man selbst, sonst niemand und für niemanden. Man nimmt immer nur für sich selbst ab. Nicht für Partner, Familienmitglieder, Freunde, Karriere oder um die vermeintliche Ungerechtigkeit der Welt gegenüber den Wohlbeleibten zu ändern. Entweder man will abnehmen, für sich oder nicht. Sollten Sie nicht wirklich in ihrem Innersten diesen Wunsch spüren, dann lassen Sie es besser bleiben. Gehen Sie hinaus in die Welt und seien Sie stolz darauf dick zu sein. Aber dann seien Sie auch wirklich stolz, freuen Sie sich des Lebens und vergeuden nicht eine Sekunde an Gedanken wie es wäre dünner zu sein.

Nichts ist schlimmer, als eine Diät zu beginnen, wenn man nicht will. Dann ist Alles nur Qual und Verzicht. Nicht der ersten Phase der Überwindung und den kleinen Erfolgen, wird man beim ersten größen Problem (Stichwort: Gewichtsstillstand) aufgeben und - dem Jo-Jo-Effekt sei Dank - auch gleich wieder mehr zunehmen.

Der Feind im eigenen Kopf
Der Mensch ist ein bequemes Gewohnheitstier. Also nimmt man nur dann ab, wenn man muss - etwa als Vorbereitung für eine Operation oder eine Rolle in einem Film (dafür kann man aber auch zunehmen und danach wieder abnehmen müssen)  oder wenn Bluthochdruck, Diabetes und Herzinfarkt das Leben mäßig lebenswert machen und man abnehmen muss, um zu überleben. Ich bin nun weder Schauspieler, noch schwer krank - wobei Adipositas durchaus als Krankheit zu bezeichnen ist, und werde auch nicht operiert. ich muss also nicht abnehmen, ich will es.

Der größte Feind der erfolgreichen Nahrungsumstellung ist nicht der Magen. Weswegen ich dem Thema Magenverkleinerung und Magenband durchaus kritisch gegenüber stehe, aber das ist eine andere Geschichte. Der wahre Feind sitzt im eigenen Kopf. Willst du denn wirklich abnehmen? Warum denn? So schlimm ist es doch gar nicht. Noch kannst im Aufzug fahren, ohne dass das Warnsignal wegen Überlastung aufleuchtet. Zumindest wenn man alleine fährt. Noch komme ich überall hin und muss nicht zwei Sitzplätze im Zug oder Flugzeug reservieren. Und irgendwann werden sie doch sicher breitere Sitzreihen bauen, oder ich fliege einfach nicht mehr. Zuhause ist es eh am schönsten. Diese innere Stimme ist allgegenwärtig. Kaum hat man sich dazu durchgerungen eine Diät in Erwägung zu ziehen, wird die Stimme lauter.

Die Chance auf ein neues Leben
Je näher der Tag 1 der Lebensstiländerung kommt, desto lauter wird die innere Stimme. Am Ende schreit sie förmlich: Wieso willst du abnehmen? Ist es dir denn bisher wirklich schlecht gegangen? Sei nicht so dumm. Der Schutzpanzer muss bleiben. Du hast gelernt damit zu leben, was wird danach sein? Bist du mit 40 Kilogramm Fett weniger immer noch du? Wenn die Stimme lange genug schreien kann, dann wird man weich und isst weiter.

Somit ist der erste Erfolg einer Diät schon vor der Diät selbst erfolgt. Wenn Sie wirklich abnehmen wollen und die Stimme schreien kann so laut sie will, ohne dass es stört oder dass man abgelenkt ist, dann ist man bereit. Dann hat man schon gewonnen. Ich fange nun einfach einmal an. Ich bin dann nicht einfach mal schlank, werde das wohl auch nicht mit nur 5 Minuten Training am Tag, aber ich werde es sein.

Ich weiß nicht was kommen wird, ich weiß nicht was in einem Jahr sein wird. Werde ich ein unsympathischer überheblicher dünner Schnösel? Ein Solarium gebräunter Fitnesscenterjunkie der über dicke Menschen Witze macht? Ein faltiges Etwas, das ein armseliger Schatten seiner selbst ist? Ich weiß es nicht. Ich hoffe ich bin dann ein glücklicherer zufriedenerer Mensch, der mit sich und seinem Körper im Einklang ist. Ich werde einfach essen und nicht darüber nachdenken, ob es mich dicker , dünner oder sonst was macht. Ich werde einfach sein und ich freue mich darauf zu sehen wer ich wirklich bin. Wer versteckt sich hinter dieser Fassade aus Fett? Ich werde diese Chance auf ein neues Leben nutzen. Aber ich habe auch einen Plan B. Das muss ich zugeben. Sollte ich mich nicht wohler, glücklicher und zufriedener sein, oder aber ein abscheuliches dünnes Ekel aus mir geworden sein, dann, ja dann nehme ich wieder zu. Denn das kann ich. Das weiß ich. Darin bin ich gut. Aber ich bin mir sehr sicher, dass dies nicht passieren wird. Wenn Sie eine negative Veränderung an mir bemerken, dann geben Sie mir bitte rechtzeitig Bescheid. Sie erreichen mich unter Mission.UHU@wienerzeitung.at.