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Der Tag der Appelle

Von Martina Madner und Michael Schmölzer

Politik

Die Corona-Pandemie überschattete den Nationalfeiertag. Österreichs Spitzenpolitik wandte sich mit eindringlichen Aufrufen an die Bevölkerung. Die Infektionen in Tschechien explodieren, Österreich schickt Beatmungsgeräte.


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Das Coronavirus breitet sich derzeit in Österreich rasant aus: Schon am Sonntag vermeldete das Innenministerium 2.782 Neuinfektionen, am Montag, dem Nationalfeiertag weitere 2.456. Damit tragen laut Ages mehr als 30.000 Personen in Österreich das Virus in sich. Der Großteil davon befindet sich in Quarantäne oder häuslicher Pflege zu Hause. Allerdings müssen auch mehr als 1.050 an Covid-19 Erkrankte im Spital behandelt werden, 174 davon auf der Intensivstation.

Der österreichische Nationalfeiertag, an dem eigentlich der 1955 beschlossenen österreichischen Neutralität und der Unabhängigkeit des Landes gedacht wird, ist in normalen Jahren von der Leistungsschau des Bundesheeres, der Angelobung neuer Grundwehrdiener und politischer Reden über die Bedeutung des Militärs für das Land dominiert.

Heuer war vieles anders: Die Corona-Pandemie überschattete auch die Feierlichkeiten. Mit eindringlichen Appellen wandte sich die Spitzenpolitik hierzulande an die Bevölkerung. Während andere Länder bereits wieder mit drastischen bis hin zu Lockdown-ähnlichen Maßnahmen die Verbreitung des Virus einzudämmen versuchen, stellt Kanzler Sebastian Kurz einen solchen hierzulande vorerst "nur" als "Ultima-Maßnahme" in den Raum.

"Ein Kraftakt"

"Je höher die Ansteckungszahlen sind, desto restriktivere Maßnahmen braucht es", sagte Kurz schon nach dem Ministerrat am Nationalfeiertag. Es gehe darum, eine Überlastung der Intensivmedizin zu verhindern. Das massiv steigende, exponentielle Wachstum sei eine extreme Herausforderung. Die Virologin Elisabeth Puchhammer-Stöckl hatte in einem am Tag davor publik gewordenen Mail die Mitglieder der Corona-Taskforce des Gesundheitsministeriums vor einer unkontrollierten Ausbreitung gewarnt.

Einmal mehr war von einer der größten Herausforderungen der Republik zu hören, von der Erschöpfung der Menschen, den vielen Monaten, die es durchzuhalten gelte, die ein "Kraftakt für uns alle" werden, "bis ein Impfstoff uns eine Rückkehr zur Normalität möglich macht." Zurück im Hier und Jetzt sagte Kurz aber nur: Wenn das Wachstum nicht gebremst werde, werde man weitere Maßnahmen setzen müssen. Welche das sein werden, ließ er am Nationalfeiertag offen. Eine durfte nur ihr Drohpotenzial entfalten: "Die Ultima-Maßnahme ist ein zweiter Lockdown", so der Kanzler.

Gewohnt menschelnd und ungewohnt wenig verschwurbelt appellierte auch Vizekanzler Werner Kogler von den Grünen an die Bevölkerung, mitzuhelfen: "Unterlassen Sie Vereinsaktivitäten, treffen Sie sich nur mehr mit wenigen Menschen. Überzeugen Sie andere, es gleich zu halten. Begegnen Sie Coronaleugnern, auch das wird immer wichtiger. Mit dieser Entschlossenheit und diesem Mut können wir wieder optimistischer in die Zukunft schauen, auch ohne Angst." - "Heimatliebe ist in diesen Tagen auch Zusammenhalten."

Um dieses Zusammenhalten bat das Staatsoberhaupt, Bundespräsident Alexander Van der Bellen, schließlich auch in seiner Fernsehansprache zum Nationalfeiertag: "Österreich wird das bewältigen. Miteinander", sagt in seiner Rede, die der ORF am Abend zeigte.

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"Belastung für uns alle"

Van der Bellen versuchte, die Bevölkerung gut mitzunehmen: "Diese Pandemie geht uns allen ordentlich auf die Nerven. Sie ist eine Belastung für uns alle", sagt er. Sie greife direkt das menschliche Grundbedürfnis nach Sicherheit, Nähe und Gemeinschaft an. Er bat darum, die Coronaregeln einzuhalten, aber auch die verständliche Ungeduld in etwas Positives umzuwandeln. Denn: "Wut und Angst sind schlechte Ratgeber. Sie vernebeln unser Denken und leiten unser Handeln in falsche Richtungen. Wie wäre es, wenn wir die Wut einfach sein lassen würden?" Auch er vermisse Begegnungen. "Aber werden wir uns davon unterkriegen lassen? Nein, natürlich nicht." Von der Regierung wünschte sich der Präsident mehr Gelassenheit im Umgang mit der Krise und mahnte "rechtzeitige, verständliche und nachvollziehbare Kommunikation" ein.

Während das Staatsoberhaupt seiner Hoffnung Ausdruck verlieh, dass die Länder Europas wieder stärker zueinanderfinden, wird die Lage in der unmittelbaren Nachbarschaft Österreichs immer dramatischer: So hat die Zahl der Neuinfektionen in Tschechien ein enorm hohes Niveau erreicht. Zuletzt waren es über 15.000 Fälle in 24 Stunden, am Sonntag immer noch über 7.000. Wobei am Sonntag weniger getestet wird.

Hilfe aus Österreich

Regierungschef Andrej Babis schwört die Bevölkerung nun auf weitere Einschränkungen ein: "Wenn kein Wunder geschieht, wird uns nichts anderes übrig bleiben, als die Maßnahmen noch zu verschärfen." Seit Donnerstag ist die Bewegungsfreiheit der Menschen empfindlich eingeschränkt, die Schulen sowie die meisten Geschäfte sind geschlossen, ein Notkrankenhaus auf dem Prager Messegelände ist inzwischen einsatzbereit.

Und die Tschechen erhalten Hilfe auch aus Österreich: Der niederösterreichische Landesfeuerwehrverband hat am Montag per Lkw 45 Beatmungsgeräte zur Versorgung von Corona-Patienten nach Prag gebracht. Zuvor war ein Hilfeersuchen an die österreichische Bundesregierung eingegangen.

Belgien kämpft mit absoluten Rekordwerten von zuletzt mehr als 18.000 Ansteckungen an einem Tag. Das öffentliche Leben wurde heruntergefahren, eine nächtliche Ausgangssperre ist in Kraft, Lokale und Restaurants sind geschlossen, persönliche Kontakte werden beschränkt. Seit Montag gilt eine verschärfte Maskenpflicht, alle Theater, Kinos, Museen sowie Sportstätten und Schwimmbäder sind geschlossen. Homeoffice ist Pflicht, soweit dies möglich ist. Und: Kinder dürfen zu Halloween nicht von Tür zu Tür ziehen.

Akzeptanz nimmt ab

Europas Regierungen sind verzweifelt bemüht, einen kompletten Lockdown zu verhindern. In Madrid etwa wurde die Ausrufung des Alarmzustands, der dritthöchsten Notstandsstufe des Landes, beschlossen. Der Notstand gilt zunächst für zwei Wochen, eine Verlängerung müsste gemäß Verfassung vom Parlament gebilligt werden.

In Frankreich hat die Zahl der an einem Tag registrierten Neuinfektionen erstmals die Marke von 50.000 übersprungen. In Italien bleiben Kinos, Theater, Fitnessstudios, Bäder, Skiresorts und Konzerthallen bis zum 24. November geschlossen. Restaurants und Bars müssen schon um 18 Uhr schließen. Zudem muss der Unterricht für mindestens 75 Prozent der Gymnasialschüler online abgehalten werden.

Die Akzeptanz der Maßnahmen nimmt tendenziell ab: In Rom kam es bei Protesten in der Nacht auf Sonntag zu Ausschreitungen, zwei Polizisten erlitten Verletzungen, mindestens zehn Demonstranten wurden festgenommen. In der Nacht zuvor hatte es bereits in Neapel wütende Proteste gegeben.