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Der Tag der Schoa

Von Alexia Weiss und Bettina Figl

Politik

Erstes offizielles Jom-Haschoa-Gedenken. Denkmal für Opfer des NS-Terrors am ehemaligen Bahnhof Aspang geplant.


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Wien. Rund 50.000 Wiener Juden wurden in der NS-Zeit vom ehemaligen Bahnhof Aspang in ein Konzentrationslager abtransportiert, viele von ihnen nach Maly Trostinec, das im heutigen Weißrussland liegt. Inzwischen erinnert an dieser Stelle der "Platz der Opfer der Deportation" an dieses düstere Kapitel der Stadt. Wie Wiens Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny am Montag anlässlich einer Feier zum Jom Haschoa ankündigte, soll es in absehbarer Zukunft dort auch ein Denkmal für diese Opfer des NS-Terrors geben. Für ein korrespondierendes Mahnmal in Maly Trostinec - wo die meisten österreichischen Opfer der Schoa ermordet wurden - wurde bereits Ende Jänner vonseiten der Wiener Stadtregierung finanzielle Unterstützung zugesagt.

Erster offizieller Jom Haschoa in Wien

Der Jom Haschoa (hebräisch: Tag der Schoa) wird in Israel seit Ende der 1950er Jahre als Feiertag begangen. Erstmals gab es nun mit dem Festakt auf dem Areal des ehemaligen Bahnhofs Aspang auch in Österreich ein offizielles Gedenken zum Jom Haschoa, der immer am 27. des jüdischen Monats Nisan gefeiert wird, was nach dem gregorianischen Kalender heuer auf den 16. April fällt.

Während die Festgäste nach und nach eintrafen, lief im Hintergrund ein beklemmendes Tonband: Eine Sprecherin verlas monoton Aufzeichnungen der NS-Vernichtungsbürokratie zu den Deportationen. Die Anzahl der Personen, die am jeweiligen Tag abtransportiert wurden, wurde dabei in Stückzahlen angegeben - beim Transport am 12. Mai 1942 nach Izbica/Polen beispielsweise "1001 Stück".

Anita Lasker-Wallfisch hat die Entmenschlichung durch und das Grauen der Nazis überlebt. Ihr Lebensretter war ein Instrument: In der Kapelle von Auschwitz wurde ein Cello gebraucht und sie konnte es spielen. "Das tägliche Panorama waren endlose Ströme von Menschen, die in die Gaskammern gingen", erinnerte sie sich am Montag in Wien. Damals hat niemand geglaubt, dass es möglich wäre, aus Auschwitz lebendig wieder herauszukommen.

Doch wie es scheint, hat man "ziemlich wenig" aus der Geschichte gelernt, bedauerte sie. In der ganzen Welt fließt weiterhin das Blut von Unschuldigen. Doch niemand hat sich ausgesucht, wo und als was er zur Welt kommt.

Zeitzeugin: "Miteinander reden, bevor wir uns umbringen"

"Es wäre gut, wenn wir miteinander reden würden, bevor wir uns umbringen", sagte Lasker-Wallfisch. Unter den Zuhörern waren auch Schüler, die zu der Gedenkfeier gekommen waren. Sie brechen in den nächsten Tagen gemeinsam mit anderen Jugendlichen aus ganz Österreich zu dem vom Verein Morah organisierten "March of the Living" im ehemaligen KZ Auschwitz-Birkenau auf.

Der Nationalsozialismus war ein willkommenes System, um den schon zuvor über viele Jahre in der Gesellschaft akzeptierten Antisemitismus auszuleben, betonte der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) Wien, Oskar Deutsch. Wie wichtig es sei, aus der Vergangenheit die richtigen Schlüsse für die Zukunft zu ziehen, zeige sich gerade heute, wo sich Juden in Europa erneut mit steigendem Antisemitismus konfrontiert sehen. ÖBB-Chef Christian Kern ergänzte: Ein Phänomen wie der nun wieder erstarkende Antisemitismus müsse nicht nur die Betroffenen, sondern die gesamte Gesellschaft nachdenklich machen.

Gedenken an die letzten Opfer des NS-Regimes

Dies war nicht die einzige Gedenkveranstaltung, die am Montag in Wien stattfand: Der Bund Sozialdemokratischer FreiheitskämpferInnen, die ÖVP-Kameradschaft und der KZ-Verband/VdA gedachten mit einem Rundgang der letzten Opfer des NS-Regimes. Die Stationen waren unter anderem die Förstergasse 7 im 2. Bezirk, wo die Waffen-SS am 11. April 1945 - als die Kämpfe in Wien bereits einige Tage tobten - ein Massaker an neun Juden verübte, die sich in einem Keller versteckt hatten.

Der Gedenkzug machte auch Am Hof in der Inneren Stadt Halt, wo in den letzten Kriegstagen fünf Mitglieder der Widerstandsgruppe der Feuerwehr hingerichtet wurden. Die NS-Führung hatte die Feuerwehr aus dem brennenden Wien abgezogen und sie als Bewachungsmannschaft ins KZ Mauthausen verlegt. Da im Wiener Rathaus vor 70 Jahren am 13. April 1945 die erste demokratische Wiener Gemeindeverwaltung nach dem Sturz der NS-Herrschaft gebildet wurde, fand hier die Abschlusskundgebung mit ÖGB-Chef Erich Foglar statt, denn zwei Tage, nachdem sich die demokratische Gemeindeverwaltung gebildet hatte, wurde der ÖGB gegründet.