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Der Tanz der Bienen

Von Alexandra Grass

Wissen

Forscher haben an Honigbienen frühes soziales Lernen dokumentiert. Sie geben ihr Wissen weiter.


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Was bei menschlichen Säuglingen, aber auch Nacktmullen oder flüggen Singvögeln weit verbreitet ist, wurde nun auch bei Insekten dokumentiert. Auch sie geben gemeinsames Wissen von einer Generation zur nächsten weiter, erklären Forschende der University of California in San Diego und des Xishuangbanna Tropical Botanical Garden der Chinesischen Akademie der Wissenschaften im Fachmagazin "Science". Frühes soziales Lernen ermöglicht es Tieren, sich rasch an eine sich verändernde Umwelt anzupassen.

Als soziales Insekt mit einer hoch organisierten Gemeinschaftsstruktur tragen Honigbienen dazu bei, das Überleben ihrer Kolonie zu sichern, indem sie einander den Standort von Nahrungsquellen durch einen sogenannten Schwänzeltanz mitteilen. Dabei kreisen die Tiere in einem Achtermuster, während sie im mittleren Teil des Tanzes mit ihrem Körper wackeln. Die mit halsbrecherischer Geschwindigkeit ausgeführten Bewegungen übersetzen visuelle Informationen aus der Umgebung des Bienenstocks und dem Sonnenstand in die Entfernung, Richtung und sogar die Qualität der Ressource für die Nestgenossinnen.

Unkoordinierte Bewegungen

Diesen Schwänzeltanz verbessern die Bienen im Laufe ihres Lebens und geben die Technik auch an die nächsten Generationen weiter. Um dies zu beobachten, führten die Forscher Experimente durch, in denen sie die Details der Kommunikation beim Schwänzeltanz untersuchten. Sie schufen Bienenvölker, um den Informationsübertragungsprozess zwischen erfahrenen Sammlerbienen und ihren jüngeren, weniger erfahrenen Nestgenossen zu untersuchen.

Die Forscher züchteten Bienenvölker heran, in denen die Tiere Schwänzeltänzerinnen noch nie beobachten oder verfolgen konnten, bevor sie zum ersten Mal tanzten. Die jungen Bienen hatten alle das gleiche Alter. Für gewöhnlich beginnen Honigbienen ab einem bestimmten Alter zu tanzen und folgen immer erfahrenen Tänzern, bevor sie überhaupt zum ersten mal selbst zu tanzen versuchen. In den Versuchsvölkern allerdings konnten die Bienen nie von erfahrenen Tänzern lernen.

Bienen ohne solche Vorbilder bewegten sich unkoordinierter, berichten die Forscher in der Studie. Sie machten mehr Fehler und kodierten die Entfernungen falsch. Im Gegensatz dazu hatten Tiere mit Vorbildern keine derartigen Probleme.

Wie der Mensch, für den eine frühe Auseinandersetzung mit der Sprachentwicklung unerlässlich ist, erwarben die Bienen soziale Signale, die ein Leben lang - etwa 38 Tage - erhalten blieben. Diejenigen, die den korrekten Schwänzeltanz nicht früh erlernten, konnten sich zwar durch Beobachtung anderer Tänzer und durch Üben verbessern, waren aber nie in der Lage, die Entfernung korrekt zu kodieren. Diese Entfernungskodierung führt zu unterschiedlichen "Dialekten" der verschiedenen Honigbienenarten. Mit anderen Worten: Die Bienen, die während ihrer kritischen frühen Lernphase nie andere Tänzerinnen beobachten konnten, entwickelten einen neuen Dialekt, den sie für den Rest ihres Lebens beibehielten.

Dialekte der Bienen

"Wissenschafter glauben, dass die Dialekte der Bienen durch ihre lokale Umgebung geprägt werden. Wenn dem so ist, macht es Sinn, dass ein Bienenvolk einen Dialekt weitergibt, der gut an diese Umgebung angepasst ist", betont James Nieh von der School of Biological Sciences der University of California.

Mit ihren neuen Erkenntnissen wollen die Forscher nun verstehen, welche Rolle die Umwelt bei der Bildung einer Bienensprache spielt. In Zukunft möchten sie zudem herausfinden, ob ältere, erfahrenere Bienen im Volk, die die Verteilung der Nahrungsquellen in ihrer Umgebung kennen, in der Lage sein könnten, einen optimierten Dialekt an die nächste Generation weiterzugeben.

Sie befürchten auch, dass äußere Bedrohungen diesen frühen Spracherwerb stören könnten. Mehrere Studien haben bereits gezeigt, welchen Schaden gängige Pestizide den Bienen zufügen können.

"Wir wissen, dass Bienen sehr intelligent sind und bemerkenswerte Leistungen erbringen können", so Nieh. Doch "Pestizide können die kognitive Fähigkeit und das Lernvermögen von Honigbienen beeinträchtigen, sodass Pestizide ihre Fähigkeit, zu lernen, wie man kommuniziert, und möglicherweise sogar die Art und Weise, wie diese Kommunikation an die nächste Generation in einem Volk weitergegeben wird, verändern könnte."