Worum geht es in der Aufregung um das Hochschulurteil des EuGH genau?
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In ihrer Klage gegen die Republik Österreich vom 31. März 2003 beantragte die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) möge feststellen, dass Österreich gegen das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 12 iVm Art. 149 (allgemeine Bildung) und Art. 150 (berufliche Bildung) EGV verstoßen habe. Und zwar deswegen, da es nicht sichergestellt habe, dass die Inhaber von in anderen Mitgliedstaaten erworbenen Sekundarschulabschlüssen unter den gleichen Voraussetzungen wie die Inhaber von in Österreich erworbenen Abschlüssen Zugang zum Hochschulstudium in Österreich haben.
Damit rügte die Kommission das beim Hochschulzugang - zusätzlich zur "allgemeinen Universitätsreife" - geforderte Kriterium der "besonderen Universitätsreife" (§ 36 UniStG), das darin besteht, dass ein ausländischer Student nur dann an einer inländischen Universität zugelassen wird, wenn er auch an seiner Heimatuniversität zum Studium zugelassen ist.
Österreich rechtfertigte dieses System damit, dass dies eine Frage der Anerkennung von Diplomen und nicht eine solche des Zugangs zum Universitätsstudium sei und dementsprechend auch in die nationale Zuständigkeit falle. Spätestens seit dem Urteil des EuGH vom 1. Juli 2004 in der ähnlich gelagerten Rechtssache C-65/03, Kommission/Belgien, sowie in der Folge seit den Schlussanträgen des Generalanwalts (GA) Francis G. Jacobs in der gegenständlichen Rechtssache C-147/03 vom 20. Jänner 2005 war aber klar, dass es sich bei der Forderung einer "besonderen Universitätsreife" um eine indirekte Diskriminierung handelt, die sich mit den von Österreich vorgebrachten drei Gründen - Wahrung der Einheitlichkeit des Hochschulsystems, Interesse an der Verhütung von Missbräuchen der Freizügigkeit von Studenten und Berücksichtigung zweier Europarats-Übereinkünfte aus 1953 und 1997 über die Gleichwertigkeit der Reifezeugnisse - nicht rechtfertigen lässt.
Mit seinem Urteil folgte der EuGH der Argumentation des GA und stellte fest, dass Österreich gegen die Art. 12, 149 und 150 EGV verstoßen habe. Er fügte aber auch hinzu, dass es einer überhöhten Nachfrage nach Zulassung zu bestimmten Fächern mit dem Erlass spezifischer, nicht diskriminierender Maßnahmen (z.B. Aufnahmeprüfung oder Erfordernis einer Mindestnote) begegnen könne. Der noch heute in die Wege geleiteten gesetzlichen Reaktion auf dieses Urteil kann mit Interesse entgegengesehen werden.
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Der Autor ist ordentlicher Professor für Völkerrecht, Europarecht und Internationale Beziehungen in Innsbruck.