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Typischer Betrüger ist fleißig und engagiert sich im Job. | Firmenleitung darf E-Mails nur bei Verdacht kontrollieren. | Wien. Vom Griff in die Firmenkasse über eine aufpolierte Bilanz bis zum Mitarbeiter einer Baufirma, der Beton zu seiner privaten Baustelle liefern lässt - Wirtschaftskriminalität hat viele Gesichter und bleibt oft jahrelang unentdeckt.
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"Fast jede zweite Firma in Österreich ist Opfer von Wirtschaftskriminalität", sagt Gerhard Donner, Leiter der Abteilung Risikomanagement bei Ernst & Young. Den Unternehmen würden dadurch im Schnitt fünf bis sieben Prozent ihres Jahresumsatzes entgehen. Der jährliche Gesamtschaden durch Wirtschaftskriminalität in Österreich wird auf bis zu 15 Mrd. Euro geschätzt.
Ungerecht behandelt
"Bei über 85 Prozent der Fälle von Wirtschaftskriminalität sind Insider beteiligt", so Donner. Zwar sei die oberste Führungsebene weniger oft in kriminelle Handlungen involviert, der von ihnen verursachte Schaden sei aber um ein Vielfaches höher als der Schaden durch Mitarbeiter ohne leitende Funktion.
Wie lässt sich der typische Betrüger beschreiben? Der Eindruck täusche oft, sagt Donner: "Täter sind fleißige Mitarbeiter, die alles für ihre Firma tun würden." Es seien oft Mitarbeiter, die unter großem Leistungsdruck stehen und die Zielvorgaben des Unternehmens um jeden Preis erreichen wollen - auch mit kriminellen Mitteln. "Oder ein Mitarbeiter fühlt sich ungerecht behandelt und holt sich das, von dem er glaubt, dass es ihm zusteht", sagt Bettina Knötzl, Partnerin der Rechtsanwaltskanzlei Wolf Theiss.
"Das beste Rezept gegen Wirtschaftskriminalität sind daher zufriedene Mitarbeiter", sagt Benjamin Weißmann von Ernst & Young. Entlohnungskriterien sollten daher nicht an zu hohe Ziele gekoppelt sein, die zu kriminellen Handlungen verleiten, rät Knötzl. Donner weist auch auf die Vorbildfunktion des Managements hin: "Wenn Mitarbeiter das Gefühl haben, die Firma ist ein Selbstbedienungsladen, dann werden sie zugreifen."
Private Mails sind tabu
Kriminellen Handlungen vorbeugen können Firmen mit internen Kontrollen - für diese braucht die Firma aber eine Betriebsvereinbarung. Beim Aufdecken hilft eine Whistleblowing-Hotline oder eine Software, die automatisch Materialbestand oder Zahlungen überprüft und verdächtige Fälle kennzeichnet - wie regelmäßige Zahlungen in gleicher Höhe.
Geht es jedoch um die Kontrolle einzelner Mitarbeiter, ist der Grat zur Verletzung des Datenschutzes schmal: "E-Mails und das Firmenhandy dürfen nur bei einem begründeten Verdacht überprüft werden. Private E-Mails und der Heim-Computer dürfen nur mit Zustimmung des Mitarbeiters oder durch die Ermittlungsbehörde gelesen werden", sagt Weißmann.
Gerichte strafen hart
In den letzten Jahren gehen Firmen zunehmend härter gegen Täter im eigenen Betrieb vor: "Früher trennten sich Unternehmen aus Angst vor einem Imageverlust still mit einer einvernehmlichen Kündigung", so Knötzl. Nun werden die Täter meist entlassen und bekommen eine Strafanzeige.
"Am häufigsten werden Mitarbeiter wegen Untreue verurteilt", warnt Knötzl. Denn während dem Mitarbeiter bei Betrug ein Bereicherungsvorsatz nachgewiesen werden muss - wie etwa bei einer beschönigten Bilanz -, reicht bei Untreue ein wissentlicher Befugnismissbrauch, der Schaden verursacht. Dies treffe schon zu, wenn ein Bankmitarbeiter die Bonität eines Kunden nicht überprüfe, an den er einen Kredit vergibt und die Bank dadurch einen Ausfall erleide. "Untreue wird bei höheren Beträgen mit bis zu zehn Jahren Haft gestraft. Haftstrafen sind hier an der Tagesordnung", so Knötzl.
Den Betrieben rät sie, klare Verhaltensrichtlinien für Mitarbeiter festzulegen. Denn nach dem Verbandshaftungsgesetz kann neben dem Täter auch die Firma zur Rechenschaft gezogen werden - mit Geldbußen bis zu 1,8 Mio. Euro.