Der abgesetzte katalanische Regierungschef Puigdemont tüftelt an Möglichkeiten, aus dem Exil zu regieren.
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Madrid/Barcelona. In einer Kurzgeschichte von Roald Dahl, "William und Mary", beschließt die männliche Hauptperson, ein Chirurg, nach seinem Tod als Experiment partiell weiterzuleben. Und zwar nur als Entität von Auge und Hirn. Denken und Betrachten sind für ihn die wichtigsten Dinge. Lehrer nehmen diese Geschichte gerne her, um über Leiblichkeit und Körper zu diskutieren.
Solche Geschichten bleiben zumeist graue Theorie. Doch in Katalonien wird gerade über das Pro und Kontra einer körperlichen Anwesenheit lebhaft diskutiert.
Der im Brüsseler Exil befindliche katalanische Politiker Carles Puigdemont ist schließlich Spitzenkandidat der zweitstärksten Partei, "Junts per Catalunya" (JxCat). Aber sobald er spanischen Boden betritt, muss er mit einer sofortigen Inhaftierung rechnen, schließlich wird der abgesetzte katalanische Regierungschef wegen Rebellion, Aufruhr und Veruntreuung in Spanien gesucht. Sein Regierungsvize, Oriol Junqueras von der Esquerra Republicana (ERC), sitzt seit Anfang Dezember vor den Toren von Madrid in Untersuchungshaft.
Die ERC belegte den dritten Platz bei den katalanischen Neuwahlen. Damit stellen die separatistischen Parteien, JxCat und ERC, wieder den stärksten Block. Doch was tun, wenn die Anführer verhindert sind?
Die noch in Freiheit befindliche Nummer zwei der ERC, Marta Rovira, ist diese Woche nach Brüssel gereist, um mit Puigdemont das weitere Vorgehen zu besprechen. Laut der Formation von Puigdemont sei es nun beschlossene Sache, dass die ERC die neuerliche Amtseinführung von Puigdemont unterstützt. Die ERC erklärte, davon leicht abweichend, dass man Puigdemont nur unterstützen würde, wenn die Juristen des katalanischen Parlaments beschließen, dass die von Puigdemont vorgeschlagene Lösung denn auch möglich ist.
Alternative Boykott
Und hier wird es abenteuerlich. Denn das katalanische Gesetz geht davon aus, dass der Regierungschef für den Akt der Amtseinführung physisch im Parlament anwesend sein muss. Nun schreibt die Zeitung "El País", dass Puigdemont vorgeschlagen habe, er könne entweder per Videokonferenz ins Amt geschworen werden, oder sogar eine andere Person mit der Verlesung seiner Antrittsrede betrauen.
Falls dies juristisch nicht möglich ist, bringt die ERC auch alternativ den Boykott der konstituierende Versammlung des Parlaments ins Gespräch. Diese Eröffnungsversammlung ist für kommenden Mittwoch, den 17. Jänner, angesetzt. Da hätte sich die Präsidentschaft entscheiden sollen. Allerdings dürfen sich die katalanischen Volksvertreter bis zum 31. Jänner für den ersten Wahldurchgang ihres nächsten Regierungschefs Zeit lassen.
Der inhaftierte Junqueras hat am Mittwoch um eine Verlegung seiner U-Haft nach Katalonien gebeten. Der Anwalt des Politikers begründete die Bitte damit, dass Junqueras nach der Neuwahl wieder politisch aktiv werden und zudem in der Nähe seiner Familie sein wolle. Weiter bat Junqueras darum, an der ersten Sitzung des katalanischen Parlaments teilnehmen zu dürfen.