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Der Terror hielt die Welt in Atem

Von Rainer Mayerhofer

Politik

Der Terror hielt auch im Jahr 2002 die Welt in Atem. Das Pulverfass Naher Osten erlebte zahlreiche palästinensische Selbstmordanschläge in Bars, Busstationen und auf Märkten, denen ebenso blutige Vergeltungsaktionen der israelischen Armee folgten, bei denen ein Großteil der Infrastruktur in den palästinensischen Selbstverwaltungsgebieten zerstört wurde. US-Präsident George W. Bush ortete in seiner Rede zur Lage der Nation Ende Jänner eine "Achse des Bösen", die seiner Meinung nach von Nordkorea über den Iran bis in den Irak reicht. Ein möglicher Angriff der USA den Irak prägte die internationale Debatte das ganze Jahr über. Zwei verheerende Terroranschläge erschütterten im Oktober die ganze Welt: In Bali wurden bei einem Bombenanschlag in einem Vergnügungsviertel nahezu 200 Urlauber in den Tod gerissen und in einem Moskauer Theater nahmen tschetschenische Terroristen mehr als 800 Geiseln. Bei der Befreiung wurden durch Giftgas an die 120 Geiseln getötet.


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Eine Welle von palästinensischen Selbstmordattentaten erschütterte auch im abgelaufenen Jahr Israel. Als Revanche besetzten israelische Truppen immer wieder die palästinensischen Selbstverwaltungsgebiete und stellten Palästinenserpräsident Yasser Arafat, dem immer wieder mit der Ausweisung gedroht wurde, monatelang unter Hausarrest. Gegen Jahresende wurde Arafat wie schon im Jahr 2001 erneut die Teilnahme an der Christmette in Betlehem verboten.

UNO-Resolution für zwei Staaten

Am 12. März sprach der UNO-Sicherheitsrat in seiner Resolution 1397 erstmals von der Existenz zweier getrennter Staaten in Israel und in den palästinensischen Gebieten.

Ende März - nach einem neuerlichen blutigen Selbstmordanschlag - rückte die israelische Armee erneut in Ramallah ein und schoss Arafats Büro sturmreif. In Betlehem wurde die Geburtskirche von Israelis fünf Wochen lang belagert, bis die dort untergekommenen palästinensischen Kämpfer am 10. Mai aufgaben und ins Exil ausreisten. Bei Kämpfen im Flüchtlingslager Jenin wurden hunderte Palästinenser getötet. Israel wehrte sich erfolgreich gegen eine Aufklärung der Massakervorwürfe durch die UNO.

Am 18. Juni erteilten Premierminister Ariel Sharon und Verteidigungsminister Benjamin Ben-Eliezer von der Arbeiterpartei nach einem neuerlichen Anschlag jeder Art von Palästinenserstaat eine klare Absage. Sechs Tage später bekräftigte aber US-Präsident George W. Bush, dass die USA an einem provisorischen Palästinenserstaat festhalten, dass dafür aber eine neue Palästinenserführung notwendig sei.

Arafat erteilte Terror Absage

Am 9. September erteilte Arafat in seiner ersten Rede vor dem Palästinenserparlament seit 18 Monaten dem Terror eine klare Absage, konnte aber den Selbstmordattentaten nicht wirklich ein Ende setzen. Am 30. Oktober brach Israels Regierung auseinander. Die Arbeiterpartei verließ das Kabinett: Benjamin Netanyahu wurde neuer Außenminister und für 28. Jänner 2003 wurden Neuwahlen angesetzt. Im Likud-Block konnte sich Ariel Sharon als Spitzenkandidat gegen seinen Widersacher Netanyahu durchsetzen. Die Arbeiterpartei geht mit dem Bürgermeister von Haifa, Amram Mizna, der am 20. November in parteiinternen Vorwahlen gekürt wurde, in die Wahlen.

Tauziehen um den Irak

Neben Israel stand im abgelaufenen Jahr das internationale Tauziehen um den Irak im Mittelpunkt der weltweiten Auseinandersetzungen. US-Präsident Bush, der in seiner Rede zur Lage der Nation am 30. Jänner den Irak als wichtigen Punkt in der "Achse des Bösen" identifiziert hatte, ließ trotz wiederholter Warnungen seiner Verbündeten keinen Zweifel daran, dass er mit dem Regime Saddam Husseins, gegen das bereits sein Vater im Jahr 1991 Krieg geführt hatte, aufräumen will.

Obwohl die Lage in Afghanistan noch keineswegs bereinigt ist - am 6. Juli wurde der afghanische Vizepräsident Haji Abdul Kadir ermordet und Präsident Hamid Karsai entging am 5. September in Kandahar nur knapp einem Attentat, will Bush die El-Kaida-Terroristen nun im Irak dingfest machen.

Unter internationalem Druck erklärte der Irak am 2. August erstmals seit vier Jahren seine Bereitschaft, die UNO-Waffeninspektoren ins Land zurückkehren zu lassen und stimmte am 17. September einer bedingungslosen Rückkehr zu. Am 13. November akzeptierte Bagdad auch die UNO-Resolution 1441 zur Abrüstung des Landes. Fünf Tage später trafen die ersten Waffeninspektoren in Bagdad ein und am 7. Dezember übergab der Irak seinen Bericht über atomare, chemische und biologische Projekte der UNO.

Während selbst ehemalige führende US-Politiker, wie Ex-Präsident Jimmy Carter, der mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde, und Ex-Vizepräsident Al Gore die Irak-Politik Bushs kritisch unter die Lupe nahmen, war die Bush-Administration erzürnt über den deutschen Bundeskanzler Gerhard Schröder, der im Wahlkampf klar festgesellt hatte, dass sich die BRD an keinem Krieg gegen den Irak beteiligen werde.

Warnungen vor einem Irakkrieg kamen aber aus vielen Ländern, allen voran die arabischen Verbündeten der USA.

Im Kampf gegen den Terror geriet die Bush-Regierung aber auch in den USA selbst in Bedrängnis, als bekannt wurde, dass mehrere Warnungen vor dem 11. September 2001 nicht beachtet worden waren. Nach langem Hinhalten gab Bush der Forderung der Demokraten nach und setzte eine Untersuchungskommission unter dem Vorsitz von Ex-Außenminister Kissinger ein. Kissinger legte den Vorsitz aber bereits Mitte Dezember wieder zurück.

Und die mit dem El-Kaida-Netz in Verbindung gebrachten Terroristen ließen immer wieder von sich hören. Mehrmals tauchten Videos mit Botschaften von Osama bin Laden auf. In Pakistan wurde der US-Journalist Daniel Pearl zu Jahresbeginn entführt und im Februar ermordet. Seine Leiche wurde Mitte Mai in Karachi gefunden.

Am 8. Mai wurden bei einem Selbstmordanschlag von El-Kaida-Tätern in Karachi 13 Menschen getötet, unter ihnen elf Franzosen.

Bomben gegen Urlauber auf Bali, Djerba und in Kenia

Auch beim blutigsten Anschlag seit dem Attentat auf das World Trade Center - einem Bombenanschlag in einem Vergnügungsviertel auf der indonesischen Ferieninsel Bali, bei dem am 11. Oktober fast 200 Menschen ums Leben kamen, hatte El Kaida die Hand im Spiel.

Der Anschlag von Bali war bereits der zweite größere in diesem Jahr, bei dem überwiegend Touristen betroffen waren. Am 11. April starben bei einem Attentat auf die Synagoge La Ghriba auf der tunesischen Ferieninsel Djerba 16 Personen, die Mehrheit von ihnen deutsche Urlauber. Ein Mann hatte einen mit Flüssiggasflaschen beladenen Lastwagen in die Synagogenanlage gesteuert.

Am 28. November steuerten Selbstmordattentäter ein mit einer Bombe präpariertes Auto in eine israelisch geführte Ferienanlage in der Nähe von Mombasa in Kenia. 16 Menschen, unter ihnen drei israelische Touristen, kamen bei diesem Anschlag ums Leben. Ein gleichzeitiger Raketenangriff auf ein israelisches Charterflugzeug beim Abflug vom Flughafen von Mombasa schlug glücklicherweise fehl.

Tschetschenen überfielen Moskauer Theater

Der spektakulärste Terrorakt des Jahres 2002 fand aber in Moskau statt. Eine Gruppe schwerbewaffneter tschetschenischer Rebellen - Männer und Frauen - stürmten während einer Musical-Vorstellung am 23. Oktober ein Theater und nahmen mehr als 800 Geiseln. Sie forderten das sofortige Ende der russischen Militäraktionen in Tschetschenien und drohten im Fall der Nichterfüllung ihrer Forderungen mit der Exekution der Geiseln und der Sprengung des Theaters. Russische Elitetruppen beendeten drei Tage später die Geiselnahme. Die traurige Bilanz: außer den Geiselnehmern starben rund 120 Geiseln an den Folgen des Gases, das die Elitetruppen bei der Stürmung des Theaters einsetzt haben.