Gastbeitrag: Die neue Gewerbeordnung bringt Vorteile, eventuelle Nachteile sind noch nicht absehbar.
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Wien. Zu der angekündigten Novellierung der Gewerbeordnung (GewO) wurde mittlerweile eine Regierungsvorlage im Parlament eingebracht. Die Neuerungen sollen in Teilen bis spätestens 1. Jänner 2018 in Kraft treten. Die Reform beinhaltet die folgenden wesentlichen Punkte:
Wegfall der Teilgewerbe
Bei den Gewerben ist vorgesehen, dass sämtliche Teilgewerbe mit Ausnahme des Huf- und Klauenbeschlages sowie des Erdbaus zu freien Gewerben werden. Der Huf- und Klauenbeschlag soll als eigenständiges reglementiertes Gewerbe aufgenommen werden, hinsichtlich des Erdbaus besteht die Möglichkeit, das Gewerbe eines Baugewerbetreibenden, eingeschränkt auf den Erdbau, in Anspruch zu nehmen.
Neugestaltung der Nebenrechte
Die geltende Regelung des Nebenrechtes, in wirtschaftlicher Ergänzung zur eigenen befugten Dienstleistung in geringem Umfang Leistungen auch aus anderen Gewerben erbringen zu können, ist nach Ansicht der Regierung zu eng. Aus diesem Grund soll die bisherige Bindung an den "geringen Umfang" durch eine solche an Prozentgrenzen ersetzt werden, die darüber Aufschluss geben, welchen Anteil die ergänzenden Tätigkeiten an der Gesamtleistung haben dürfen. Hier ist geplant, diese Grenze mit insgesamt 30 Prozent festzusetzen, wobei Nebenrechtsleistungen aus einem reglementierten Gewerbe 15 Prozent nicht übersteigen dürfen. Nach der Regierungsvorlage können diese Maßeinheiten beispielsweise nach Zeitaufwand oder nach ihrem jeweiligen Auftragswert zueinander in Relation gesetzt werden.
Eine solche konkrete Abgrenzung der prozentuellen Verhältnisse wird in der Praxis objektiv kaum möglich sein: Denn den Zeitaufwand oder den Auftragswert kann der Unternehmer ja selbst festlegen, womit die Beschränkung auf 15 Prozent der gesamten beauftragten Leistung faktisch nach Gutdünken überschritten werden kann. Die Prozentzahlen geben dem Unternehmer damit einen größeren Spielraum für die Ausdehnung der Nebenrechte als bisher mit der allgemeinen Beschränkung auf den geringen Umfang.
Reform des Betriebsanlagenverfahrens
Einen wesentlichen Teil der Reform der GewO betreffen die Regelungen über das Betriebsanlagengenehmigungsverfahren: Hier ist eine Beschleunigung der Regelverfahrensdauer vorgesehen. Grundsätzlich beträgt die Entscheidungsfrist für Behörden in einem Verwaltungsverfahren sechs Monate. Die Entscheidungsfrist für das reguläre Betriebsanlagenverfahren soll nun auf vier Monate, im vereinfachten Genehmigungserfahren gemäß § 359b GewO von bisher drei auf zwei Monate reduziert werden. Die vier- beziehungsweise zweimonatige Frist gilt auch für die Erledigung von Beschwerden beim Verwaltungsgericht gegen Genehmigungsbescheide. Ob diese Fristen in der Praxis immer eingehalten werden können, ist schon angesichts der verpflichtenden, maximal dreiwöchigen Auflagefrist der Einreichunterlagen im vereinfachten Verfahren zweifelhaft. Bei einer Überschreitung der Fristen kann eine Säumnisbeschwerde beim Verwaltungsgericht erhoben beziehungsweise ein Fristsetzungsantrag beim Verwaltungsgerichtshof gestellt werden.
Ein weiterer Bereich der Novelle betrifft das vereinfachte Genehmigungsverfahren. Durch die Neufassung soll bereits zu einem früheren Zeitpunkt als bisher im Verfahren feststehen, wer in welchem Ausmaß als Partei des Verfahrens einzubeziehen ist. Die eingereichten Projektunterlagen werden längstens drei Wochen bei der Behörde zur Einsichtnahme aufliegen. Innerhalb dieser Frist können die Nachbarn einwenden, dass die Voraussetzungen für das vereinfachte Verfahren nicht vorliegen, andernfalls verlieren sie ihre Parteistellung im Verfahren. Bisher konnte dieser Einwand bis zum Schluss einer mündlichen Verhandlung erhoben werden.
Weiters wird dem Unternehmer eine Wahlmöglichkeit dahingehend eröffnet, ob im Genehmigungsverfahren Amtssachverständige oder nichtamtliche Sachverständige beigezogen werden. Der Antrag zur Bestellung eines nichtamtlichen Sachverständigen ist gleichzeitig mit dem Antrag auf Genehmigung des Projektes zu stellen. Die Kosten des nichtamtlichen Sachverständigen hat der Antragsteller zu tragen. Die Auswahl des nichtamtlichen Sachverständigen obliegt der Gewerbebehörde, damit Gefälligkeitsgutachten ausgeschlossen sein sollen. Die Maßnahmen dienen nach Aussage der Regierungsvorlage der Kostensenkung, der Beschleunigung von Entscheidungsfristen und einer verbesserten Rechtssicherheit.
Wie diese Zielsetzungen erreicht werden sollen, erscheint rätselhaft: Wenn der Antragsteller selbst für die Kosten des nichtamtlichen Sachverständigen aufzukommen hat, hat er einen höheren finanziellen Aufwand, denn der Amtssachverständige kostet - abgesehen von etwaigen Kommissionsgebühren - nichts. Dass nicht unbeträchtliche Kosten entstehen können, verdeutlicht schon die Regelung, dass der aufgetragene Kostenvorschuss seiner Höhe nach anfechtbar ist, wenn er den Betrag von 4000 Euro übersteigt. Überdies muss der Projektwerber in seinem Antrag das jeweilige Fachgebiet, für das der nichtamtliche Sachverständige bestellt werden soll, genau bezeichnen. Ein amtswegiger Verbesserungsauftrag der Behörde, falls die Bezeichnung unterbleibt, ist nicht vorgesehen. Das wird wohl in der Praxis dazu führen, dass ein Projektwerber ohne ausreichende Geldmittel und ohne facheinschlägige Kenntnisse einen solchen Antrag gar nicht stellen wird können; der nichtamtliche Sachverständige wird dann tatsächlich nur Großprojekten vorbehalten bleiben.
Ob es durch die Neuregelung zu einer Beschleunigung der Verfahren kommt, ist ebenfalls zweifelhaft, weil sich der nichtamtliche Sachverständige wohl erst mit dem eingereichten Projekt vertraut machen muss. Wenn sich das Gutachten dann auch noch als unschlüssig oder unvollständig erweist, muss es konkretisiert, ergänzt oder gar von einem Amtssachverständigen geprüft werden, was zu einer weiteren Verlängerung der Verfahrensdauer führen wird. Überdies ist nicht klar, wer überhaupt Sachverständiger ist: beispielsweise nur gerichtlich beeidete und zertifizierte oder auch andere Personen. Nicht geregelt ist in diesem Zusammenhang auch die Frage, nach welchen Kriterien die Behörde die Auswahl des nichtamtlichen Sachverständigen vornehmen soll und ob diese vom Antragsteller auch abgelehnt werden können.
Erleichterungen für den Antragsteller
Mit der Novellierung sollen zudem weitere Schritte zur Entbürokratisierung und Entlastung gesetzt werden: Dies betrifft einerseits die Streichung von Veröffentlichungspflichten, den Entfall von bestimmten Anzeigen an die Behörde und die Reduktion der Einreichunterlagen, andererseits die Einrichtung der Genehmigungsbehörde als One-Stop-Shop für Betriebsanlagen, sodass bei weiteren erforderlichen Bewilligungen für das Projekt, zum Beispiel nach dem Baurecht, Naturschutzrecht oder Wasserrecht, eine Verfahrenskonzentration bei der Gewerbebehörde vorgesehen ist. Vorteil dieser Konzentration ist sicherlich, dass so einander widersprechende Auflagen nach verschiedenen Gesetzen verhindert werden können, fraglich ist jedoch bei größeren Projekten, ob es dadurch wirklich zu einer Zeitersparnis und nicht doch zu einer Verlängerung der Verfahrensdauer kommen wird.
In diesem Zusammenhang sollen auch bloß vorübergehende Tätigkeiten des Gewerbetreibenden nicht mehr unter das Betriebsanlagenrecht fallen. Diese Neuregelung ermöglicht es beispielsweise Gastgewerbetreibenden, ein Zeltfest außerhalb des Gasthauses zu veranstalten, ohne dass sie dafür einer gesonderten Betriebsanlagengenehmigung bedürften. Damit müssen die Nachbarn Immissionen ausgehend von der Veranstaltung, vor denen sie die GewO eigentlich schützen will, dulden, gleichzeitig bleiben aber die sonstigen Rechtsvorschriften, die in einer Betriebsanlage eingehalten werden müssen, wie zum Beispiel der Arbeitnehmerschutz, weiterhin unverändert aufrecht. Somit ist die Begünstigung für den Unternehmer nur eine teilweise.
Die Erleichterungen für den Gewerbetreibenden betreffen schließlich auch die finanzielle Seite: Stempelgebühren und Bundesverwaltungsabgaben sollen sowohl für die durch eine Neugründung eines Unternehmens unmittelbar veranlasste Eingaben als auch im Betriebsanlagenverfahren entfallen.
Abschließend ist somit festzustellen, dass die Novelle der GewO in ihrer vorliegenden Form zweifellos Erleichterungen für Gewerbetreibende bringt. Da jedoch bei bestimmten Neuerungen Fragen offen bleiben, ist noch nicht absehbar, ob es nicht auch Nachteile geben wird.
Wolfgang Gabler ist Rechtsanwalt bei Hule Bachmayr-Heyda Nordberg. Seine Schwerpunkte liegen im Öffentlichen Recht, Immobilienrecht und Unternehmensrecht.