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Der Teufel und die Schriftstellerin

Von Christina Böck

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"Kluge Menschen sind nicht immer klug", musste sich also Sibylle Lewitscharoff auf Twitter sagen lassen. Also: Von denjenigen, die noch freundlich geblieben sind. Man muss sagen: Diese Entrüstung hat sich die Büchner-Preisträgerin rechtschaffen verdient. Am Sonntag hat die Schriftstellerin im Staatsschauspiel Dresden eine Rede über "Geburt und Tod" gehalten. Dabei hat sie sich nicht nur Gedanken über Patientenverfügungen gemacht, sie hat auch ihre starke Abneigung gegen künstliche Befruchtung zum Ausdruck gebracht. Die ist ihr nämlich nicht nur "suspekt", sondern gar "widerwärtig". Leihmutterschaft findet sie "vom Teufel ersonnen". Und Kinder, die durch künstliche Befruchtung, oder "Fortpflanzungsgemurkse", entstanden sind, sind für sie "Halbwesen" und "nicht ganz echt". Auf die Rede (man kann sie sich online anhören) erhielt sie durchaus üppigen Applaus. Der Dramaturg des Theaters veröffentlichte am Mittwoch eine distanzierende Stellungnahme. Es wäre vielleicht angebracht gewesen, spontan nach der Rede mit der Autorin ihre Aussagen zu diskutieren.

Mit ihren Ausfälligkeiten hat Lewitscharoff jede Chance verspielt, dass jemand den Rest ihrer Rede zur Kenntnis nimmt, in dem sie auch legitime Denkanstöße gibt zu moderner Medizin, die die Menschen vor immer schwierigere Entscheidungen stellt. So hängt sich Lewitscharoff das Mäntelchen der Empathie um und sorgt sich um das Seelenheil der "Halbwesen". Was es für die Psyche dieser Menschen bedeutet, dass sie sie da lässig als Kreaturen abstempelt, hat sie nicht mitbedacht.