Zum Hauptinhalt springen

Der teure Münchner Bruch

Von Christian Ortner

Gastkommentare
Christian Ortner.

Die EU von den USA abzunabeln wird vor allem eines: teuer. Wer das will, muss auch sagen, wer dafür zahlen soll.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 7 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Die deutsche Bundeskanzlerin hat recht, wenn sie mit Blick auf den etwas irrlichternden neuen US-Präsidenten behauptet: "Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück vorbei." Europa, so Angela Merkel diese Woche sinngemäß, müsse nun unabhängiger von den USA und selbst ein ernstzunehmender Akteur auf der internationalen Bühne werden. Schon ist die Rede vom "Bruch von München".

Das stimmt. Warum es freilich eines neuen Präsidenten in Washington bedurfte, um zu dieser Einsicht zu kommen, erschließt sich nicht wirklich. Dass die EU-Staaten schlecht beraten sind, wie in der Vergangenheit und bis heute üblich nicht nur ihre (nukleare) Verteidigung, sondern vor allem auch deren Kosten den USA zu überlassen, gilt ja nicht erst seit heute. Die sicherheitspolitische Trittbrettfahrerei der meisten EU-Staaten ist seit Jahrzehnten ein Ärgernis, das sämtliche US-Präsidenten, einschließlich Barack Obama, mit Recht kritisiert haben.

Wohl um Deutschland davor zu bewahren, international ernst genommen zu werden, stimmte der SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz der Forderung Merkels zwar grundsätzlich zu, versah sie jedoch prompt mit einem grotesken "aber". "Wir Europäer dürfen uns der Aufrüstungslogik eines Donald Trump nicht unterwerfen", meinte er nämlich - und lehnte auch eine Erhöhung des eher bescheiden dimensionierten deutschen Militärhaushaltes ab.

Er bewies damit vor allem eines: dass er nicht Kanzler kann. Denn wenn Deutschland und mit ihm Europa unabhängig(er) von den USA agieren wollen, dann wird eine substanzielle Erhöhung der Rüstungsausgaben völlig unumgänglich sein. Im Grunde führt diese richtige Forderung zwingend noch einen großen Schritt weiter. Denn gerade nach dem Ausscheiden der Atommacht Großbritannien aus der Europäischen Union verbleibt dort nur noch die eher mickrige französische "Force de Frappe" zur allfälligen nuklearen Abschreckung, weshalb sich die Frage nach der deutschen Atombombe stellt, wenn man Merkels Überlegung konsequent zu Ende denkt. Das hat nichts mit der "Aufrüstungslogik eines Donald Trump" (Zitat Schulz) zu tun, sondern ist geopolitischer Logik geschuldet.

Sollte, was ja durchaus wünschenswert wäre, der "Bruch von München" Deutschland und ganz Europa animieren, sich auf eigene Beine zu stellen, selbst die Verantwortung für seine Sicherheit zu übernehmen und entsprechend zu handeln, dann wird das freilich teuer. Sehr teuer: Allein um das in der Nato verbindliche Ziel von Militärausgaben in Höhe von 2 Prozent des BIP zu erreichen, müsste etwa Österreich mehrere Milliarden Euro zusätzlich ausgeben - Jahr für Jahr. In den meisten EU-Staaten ist es nicht viel anders.

Wer aber soll das wie bezahlen? Höhere Steuern, noch mehr Schulden, weniger Sozialstaat, weniger Subventionen, weniger Beamte - wie soll das finanziert werden?

Erst wenn diese Fragen ehrlich beantwortet sind, können all die pompösen Ankündigungen und Forderungen, Europa von den USA zu emanzipieren und zum respektierten Akteur fortzuentwickeln, ernstgenommen werden. Vorher eher nicht.