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Der Thriller

Von Reinhard Göweil

Leitartikel

Die Umstände der Verhaftung von Dominique Strauss-Kahn, die Begleiterscheinungen, die Möglichkeiten einer Intrige, die schillernde Person "DSK" selbst: Die Geschichte, die das Leben in den vergangenen zwei Tagen über ihn erzählte, findet sich sonst eigentlich nur in den gut geschriebenen, aber gewagten Plots der italienischen Autorin Liaty Pisany.


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Sogar französische Minister und sozialistische Politiker beteiligten sich an den Verschwörungstheorien gegen den mittlerweile wieder sehr mächtigen Strauss-Kahn.

Abseits des Vorwurfes der sexuellen Nötigung galt der 62-Jährige vielen als eine europäische Hoffnung. Seine Chancen, 2012 zum französischen Präsidenten gewählt zu werden, waren bis Samstag intakt. Seine europäische Gesinnung machte ihn über die Parteigrenzen zu einer Lichtgestalt in der derzeit recht armseligen europäischen Politik.

Dass ein Charakter wie Strauss-Kahn auch mit einem Knall von der Bühne abgeht, war zu erwarten - aber dieser Knall erschüttert in der Tat Europa. Sollten sich die Vorwürfe gegen ihn bewahrheiten, so geht er nicht nur für länger ins Gefängnis, sondern auch Europa hätte viel verloren:

Der Chef des Internationalen Währungsfonds war traditionell EU-Europäer. Nun werden ehemalige Politiker der Türkei, Südafrikas, ja selbst der USA genannt. Für die EU ist dies natürlich ein Verlust an Einfluss. Eine neuerliche Umorientierung des Internationalen Währungsfonds würde wohl die Schuldnerländer Europas in größere Bedrängnis bringen: Die bisherigen "Kunden" des Fonds in Afrika, Südamerika und Asien blickten seit längerem mit Sorge auf Strauss-Kahns Politik, den Fonds stärker in Europa zu engagieren.

Und schließlich geht es um die Frage, wann und wer in Europa eine tatsächliche Wirtschaftsregierung umsetzen kann. Strauss-Kahn als französischer Präsident hätte das Potenzial dafür gehabt. Er hatte sich schon in seiner Zeit als französischer Finanzminister Ende der 90er Jahre für eine politische Integration Europas starkgemacht.

Für Europa war die Verhaftung Strauss-Kahns in New York mehr als ein politischer Donnerschlag. Es war das Ende einer politischen Hoffnung. In Liaty Pisanys Spionagethriller gewinnen am Ende - wenn auch zerzaust - immer die Guten. Strauss-Kahn hat sich - sollte der Vergewaltigungsvorwurf stimmen - von sich aus auf die Seite der Bösen gestellt. Schade.