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Der tiefe Schnitt

Von Reinhard Göweil

Wirtschaft

Heta/Hypo-Anleihen werden am Sonntag von Bankenaufsicht um mindestens 55 Prozent "geschnitten".


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Wien. Ab Sonntag werden per Behördenbescheid 1000 Euro Heta/Hypo-Anleihen nur noch etwa 450 Euro wert sein. Vor Beginn der neuen Börsewoche will die Finanzmarktaufsicht (FMA) bekanntgeben, wie hoch der sogenannte Schuldenschnitt wird. Finanzexperten rechnen mit 55 Prozent, möglicherweise geht es sogar bis 60 Prozent. Das wird notwendig, weil die Heta die Anleihen nicht mehr bedienen konnte und die Republik kein Geld mehr dafür aufwenden will. Im März 2015 gab es daher ein sogenanntes Moratorium bis 31. Mai 2016, das heißt alle Zahlungen wurden bis dahin gestundet.

Abwicklungsbehörde FMAhat große Vollmachten

Die Bekanntgabe am Sonntag könnte auch - sagen Investmentbanker - bedeuten, dass der Handel der börsenotierten Hypo-Anleihen bis auf Weiteres ausgesetzt wird. Auch das kann die FMA beschließen, da sie die für die Hypo/Heta zuständige "Abwicklungsbehörde" ist. Und die ist kraft Gesetzes mit beträchtlichen Vollmachten ausgestattet und hat die Aufgabe eine Insolvenz zu verhindern. Die Anleihen der früheren Problembank Hypo Alpe Adria sind mit einer Haftung des Landes Kärnten ausgestattet, die allerdings für nichtig erklärt wurde. Genau das erzürnt die Gläubiger, denn die Haftung hätte bedeutet, dass das Land Kärnten voll einspringen müsste. Derzeit laufen noch Anleihen im Ausmaß von etwa elf Milliarden Euro. Ein Haircut, so wird der Schuldenschnitt im Finanz-Jargon genannt, von 55 Prozent würde dies um knapp mehr als sechs Milliarden auf fünf reduzieren. Diese beträchtliche Summe müssten die Gläubiger also zur Liquidierung der Ex-Bank beitragen.

Gläubiger haben vorsorglich Kärnten geklagt

Die lassen sich das natürlich nicht gefallen und haben großteils bereits Klagen gegen das Land Kärnten eingebracht, einige haben auch den Bund geklagt. Die Gläubiger sehen sich ab Sonntag allerdings mit höheren potenziellen Verlusten konfrontiert als noch vor wenigen Tagen. Da haben sie das Vergleichsangebot abgelehnt, um langwierige und teure Gerichtsprozesse zu verhindern.

Das Angebot lautete auf 75 Prozent des Nennwertes. Dazu hätte es eine 18-jährige Nullkupon-Anleihe der Republik gegeben, was die Quote auf knapp über 80 Prozent gehievt hätte. Der Verlust aller privaten Gläubiger wäre also bei der Hälfte der Summe gelegen, die ab Sonntag auf dem Tisch liegt. Warum sie also die Gelegenheit verstreichen ließen, mögen sich manche fragen. Nun, sie wollen 100 Prozent ihrer Forderungen erfüllt sehen, das will ja grundsätzlich jeder Gläubiger. Doch diese Bank-Verbindlichkeiten der Hypo waren ausgestattet mit einer Haftung des Landes Kärnten, also eines Teils der Republik Österreich, die mit ausgezeichneter Bonität ausgestattet ist. Wenn die Bank nicht bezahlt, würde es das Land machen. Risikoprüfungen bei solchen Investments gab es vor 2009 praktisch keine. Das ist seit der Finanz- und Euro-Krise anders.

Was die privaten Gläubiger, durchwegs Finanzinstitute, so erbost ist die rückwirkende Aufhebung dieser Haftung. "Das ist tatsächlich starker Tobak", sagte ein Wirtschaftstreuhänder zur "Wiener Zeitung". "Vertragstreue und Rechtssicherheit sind ein hohes Gut. Aber sie gelten immer weniger." Diese Gläubiger an der milliardenschweren Hypo-Abwicklung zu beteiligen, ist daher vor allem politisch getrieben gewesen.

Bei so vielen Milliarden bröckelt Vertragstreue

Immerhin hat die Republik bereits 5,5 Milliarden Euro in die Kärntner Hypo gesteckt. Es laufen mehr als 100 Gerichtsverfahren rund um die mehr oder weniger dubiosen Geschäfte der Bank (vor allem am Balkan), einige Manager sitzen in Haft - und der parlamentarische Untersuchungsausschuss bemüht sich seit Monaten, noch mehr Licht in die mittlerweile aufgehellte Sache zu bringen.

Der Schuldenschnitt der FMA bedeutet nun, dass die Gläubiger noch mehr Geld beim Land Kärnten einklagen müssen, wenn es nicht doch noch zu einem außergerichtlichen Vergleich kommt. Die Chancen dafür stehen recht gut, denn die rechtlichen Risken für die Gläubiger sind beträchtlich, selbst wenn die Moral auf ihrer Seite wäre.

Zuerst muss die Existenz der Kärntner Haftung durchgefochten werden, das geht bis zum Europäischen Gerichtshof. Dann muss klargestellt werden, was diese Ausfallhaftung eigentlich bedeutet. Wenn die Fälligkeit erst nach Ende der Hypo-Abwicklung eintritt, müssten die Gläubiger möglicherweise bis nach 2020 auf Geld warten.

Wenn all das gewonnen wird, geht das Land Kärnten in Insolvenz. Das ist der heikelste Punkt, denn damit wird juristisches Neuland betreten. Welche Vermögenswerte des Landes sind dabei zu veräußern? Landesstraßen und Schulen fallen vermutlich aus, so Verfassungsexperten. Die Wohnbauförderung käme wohl in Frage, die ist aber bereits dem Bund verpfändet, der das Land mit Krediten seit Monaten über Wasser hält. Da es keine explizite Haftung des Bundes für ein Bundesland gibt - darauf beruft sich auch Finanzminister Hans Jörg Schelling -, ist die Frage, ob die Republik am Ende einspringen muss, vollkommen ungeklärt.

Vor dieser Frage fürchten sich auch alle anderen Bundesländer. Sie hängen nicht nur selber über die jeweiligen Landeshypos in der Heta-Abwicklung, sondern stehen vor dem Problem, möglicherweise selbst kein Geld mehr auf den Finanzmärkten aufnehmen zu können. Wenn der Bund als "Retter in höchster Not" nicht zuständig ist, werden sich die Zinsen auf Landesschulden beträchtlich erhöhen. Das betrifft auch die Finanzierung der Landeshypos.

Dem Bund spielt diese Entwicklung politisch in die Hände. Es gab schon mehrfach Versuche, die Bundesländer an die Bundesfinanzierungsagentur (Öbfa) anzudocken. Diese Öbfa begibt Staatsanleihen, um das Defizit der Republik zu finanzieren, ohne große Probleme. Verschiedene Bundesländer bedienen sich bereits dieser im Finanzministerium angesiedelten Agentur, doch unverbindlich.

Die Angst der Bundesländer: Wenn sie zum Bund pilgern, um Geld aufzunehmen, wird dort gefragt werden, wofür. So manches Prestige-Projekt eines Landeshauptmannes könnte so dem Sparstift zum Opfer fallen. Offiziell wird diese Skepsis mit der Verfassung begründet, die den Ländern da große Freiheiten einräumt.

All dies hat die FMA als Abwicklungsbehörde bei ihrer Heta-Entscheidung am Sonntag nicht zu kümmern. Sie ist dabei an Vorgaben der EU und der Europäischen Zentralbank (EZB) gebunden. Und sie wird daher die in der Heta konzentrierten Vermögenswerte der früheren Hypo deutlich niedriger bewerten als die Heta es selbst tut. Die rechnet mit einem Verwertungserlös von mehr als sechs Milliarden, was einen Schuldenschnitt um die 40 Prozent ergeben würde.

Schaden der Republik beizirka zehn Milliarden

Die FMA wird deutlich vorsichtiger sein, ist im Vorfeld der Entscheidung zu hören. "Bei solchen Abwicklungen von Vermögenswerten wie Krediten, Beteiligungen oder Leasingverträgen wird alles täglich weniger wert", sagte ein Wirtschaftstreuhänder zur "Wiener Zeitung". "Sobald klar ist, dass etwas verkauft wird, wartet jeder ab. Kredite werden nicht mehr bedient, als Sicherheiten hinterlegte Sachgüter wie Yachten liegen herum und verlieren an Wert."

Dazu kommen finanzpolitische Veränderungen: Die Franken-Bindung der Schweizerischen Nationalbank hat die Heta/Hypo tief getroffen. Und die Ukraine-Krise hat - wegen der Balkan-Geschäfte in der Ukraine - viele Sicherheiten obsolet gemacht. Insgesamt ist von einem dreistelligen Millionenbetrag die Rede.

Langes Warten nach Verstaatlichung desaströs

Am meisten Geld kostete aber - sagen mit der Abwicklung betraute Personen, die anonym bleiben wollten - die lange Untätigkeit nach der Verstaatlichung im Dezember 2009. "Ob Bad Bank oder normale Bank ist doch egal. Wenn 2010 die Verwertung von Vermögen begonnen hätte, würde der Schaden beträchtlich geringer ausfallen", sagte ein Manager im Umfeld der Heta. Selbst wenn das ursprüngliche Angebot von den privaten Gläubigern noch angenommen werden würde, liegt der Schaden für die Republik nach dem Verkauf des letzten Hypo-Vermögenszipfelchens bei etwa zehn Milliarden Euro.

So gesehen ist zu wünschen, dass sich die FMA mit ihrem Schuldenschnitt auch real durchsetzt. Die Chancen dafür sind freilich eher gering. Ein Vergleich kostet immer mehr als das Minimalangebot.