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Haben Sie das im Original veröffentlichte Mail im unten stehenden Kasten gründlich gelesen? Und ist Ihnen dabei irgendwie schwummrig geworden? Verständlich. Aber ehe Sie nun mit der Desinfektion der Getränkedosen in Ihrem Kühlschrank beginnen und sich aus diesem Grund schwören, auf Flaschen umzusteigen: Keine Panik! Denn der in dem Mail beschriebene Fall - ursprünglich waren es übrigens Hanta-Viren und die Fälle trugen sich an nicht näher bezeichneten Orten in den USA zu - klingt zwar durchaus plausibel, aber es hat ihn nie gegeben! Die Kollegen in der Online-Redaktion allerdings sind öfter mit derartigen Geschichten konfrontiert, die sich oft binnen Tagen im Internet ausbreiten. Man nennt sie Hoaxes.
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Falschmeldungen auf Grund von Gerüchten hat man das früher genannt und ihnen verziehen, wenn sie gut erfunden waren. In Zeiten des Netzes ist das anders geworden. Zumal Medizin-Journalisten, die von besorgten Lesern oder gar - wie im gegenständlichen Fall - von der Sicherheitsvertrauensperson eines großen Betriebes auf derartige vermeintliche Gefahren aufmerksam gemacht werden, können hier ein Lied davon singen: "Furchtbar einfahren" oder gründliche Recherche unter stundenlanger Beiziehung der gesamten Fachliteratur lautet hier die Devise.
Über das Ergebnis, warum's nicht stimmen kann
Fachleute würden natürlich schon beim Namen "Leptospirose fulgurante" stutzig werden. Denn Leptospiren sind weltweit in vielen Formen verbreitet - in der häufigsten Form (L. interrogans) unterscheidet die WHO nicht weniger als 18 Serogruppen und 124 Serovars -, aber "fulgurante" (soll wohl auf "blitzartig" oder "erleuchtet" verweisen) kommt sonst nirgendwo vor.
Meldepflichtig
Die Leptospirose ist eine akute, generalisierend verlaufende Infektionskrankheit bei Mensch und Tier. Überträger auf den Menschen sind neben Nagern landwirtschaftliche Nutztiere, Wild- und Haustiere, die, wenn sie infiziert sind, mit ihrem Urin Leptospiren ausscheiden. Vor allem Rinder und Hunde sind, ungeimpft, gefährdet.
Infektionen beim Menschen können auf vielen Wegen erfolgen, auch über verletzte Schleimhäute von Mund, Nase oder Augen (etwa beim Tauchen oder Baden). - Leptospirose-Erkrankungen sind alledings in den meisten Ländern meldepflichtig und werden jeweils aus begreiflichen Gründen exakt dokumentiert hinsichtlich Art, Ort und Verlauf der Ansteckung. - Eine Infektion über eine Getränkedose wurde noch nie registriert.
So rasch stirbt man nicht
Die Inkubationszeit beträgt in der Regel 5 bis 14 Tage, kann aber in Extremfällen auch 2 bis 4 bzw. 15 bis 20 Tage dauern. - Einen Todesfall binnen derart kurzer Zeit hat es noch nie gegeben. Das Standardwerk "Zoonosen" (Hg. H. Krauss und A. Weber, Deutscher Ärzte-Verlag, Köln) hält hierzu fest, dass sich "bei allen L. ein weitgehend ähnliches klinisches Krankheitsbild entwickelt, das durch einen zweiphasigen Krankheitsverlauf charakterisiert ist".
In der ersten Phase, die 4 bis 7 Tage dauert, kommt es zu Grippe-ähnlichen Symptomen mit hohem Fieber und u.a. starken Kopf- und Muskelschmerzen. Nach einem kurzen fieberfreien Intervall von einigen Tagen können dann die verschiedensten Krankheitssymptome auftreten, u.v.a. Oligurie (verminderte Harnausscheidung), Hämaturie (patholog. Ausscheidung von Erythrozyten im Harn), seröse Meningitis, Haut- und Darmblutungen, kardiovaskuläre (Herz und Gefäße betreffende) Symptome, gastrointestinale Störungen etc.
Da die Krankheit, die übrigens im Sommer und Herbst gehäuft auftritt (was wiederum den Hoax-Fall plausibel gemacht hätte), so langsam verläuft, bleibt den Ärzten meist genug Zeit für eine wirksame Therapie mit Antibiotika (Penizillin, Tetrazyklin und symptomatisch), so dass die Prognosen im Normalfall ausgesprochen günstig sind (Letalität bei 1 Prozent).
Wesentlich ungünstiger ist die Prognose allerdings, wenn Ikterus (Gelbsucht) auftritt, insbesondere bei älteren Menschen oder bei Personen mit vorbestehender Resistenzminderung (z.B. nach sekundären Infekten). Hier beträgt die Sterblichkeitsrate infolge verspäteten Therapiebeginns 15 bis 20 Prozent. (Übrigens gibt´s auch eine seltenere Verlaufsform, die Iridozyklitis, eine ausgesprochene Späterkrankung, die nach Monaten, gelegentlich sogar erst nach einem Jahr auftreten kann.)
Getränkedosen sind kein Nährboden für Erreger
Nun zur Frage, ob eine Getränkedose zur Infektion führen kann: Im Prinzip ja. Allerdings entwickeln sich die Erreger, sehr zarte Spirochäten, ziemlich langsam und benötigen dazu alkalisches Milieu. In saurem, trockenem oder kaltem Milieu gehen sie rasch zu Grunde. Und: Aluminium, aus dem Getränkedosen gemacht werden, bekommt ihnen schon gar nicht, da dieses zur Borgruppe zählende Metall per se schon antiseptisch ist (daher also auch im Normalfall nicht gewaschen werden muss).
Unwahrscheinlich viel Pech
In dem beschriebenen Hoax-Fall müsste die Frau also ausgesprochenes Pech gehabt haben: Entweder eine Haut- oder Schleimhautverletzung, durch die die Ansteckung erfolgte. Einen höchst ungewöhnlichen und in der Geschichte der Infetiologie bisher einzigartigen Krankheitsverlauf. Sowie eine derart erhebliche Störung in der Zusammensetzung des Magensaftes, dass sie eher daran verschieden wäre.
Und schließlich, von wegen "trockener, toxischer Rattenurin": Ganz und gar frisch hätte er auf der obendrein warmen Dose sein müssen. - Schwer vorstellbar, dass jemand so etwas trinken würde.
Seit 4 Jahren im Netz
Doch wo die Gefahr am größten, wächst bekanntlich das Rettende auch: Wer im Internet unter "Leptospirose" sucht, findet Dutzende Seiten mit zahlreichen Adressen, Hin- und Verweisen. darunter auch eine "hoax liste" aus Frankreich (hoaxbuster.com), die mit dem Mythos endgültig aufräumt und aus der hervorgeht, dass diese Hoax-Geschichte, aus den USA kommend, in diversen Formen bereits seit 1998 im Netz zirkuliert - also eigentlich erst mit einiger Verspätung Österreich erreicht hat.
Was tun dagegen?
Indes: Sollten die Angaben in dem (nunmehr als Hoax identifizierten) Mail nicht richtig sein, so wollte die eingangs erwähnte Vertrauensperson wissen, "warum wird gegen solche Mails nichts unternommen?" Nachsatz: "Zählt für mich zum professionellen Rufmord."
Nun je, die Frage richtet sich zwar eher an die Online-Experten, lässt sich aber auch so beantworten: Anders als bei "echten" Computer-Viren, die in der Regel von Sicherheitssystemen erfasst und unschädlich gemacht werden können, ist es hier so wie im Umgang mit bösartigen Gerüchten: Das einzige, was man dagegen tun kann, ist, sie einfach löschen, keinesfalls weiter versenden und im Zweifelsfall die Hoax-Listen im Internet kontaktieren (die aber auch nicht immer Auskunft geben können).
Wobei es gar nicht so unklug wäre, diese Hoax-Listen generell einmal durchzuackern, wenn man sehr viel Zeit hat, informieren etliche von ihnen doch u.a. auch sehr gut über das jeweils zugrunde liegende Schema der Hoaxes, so dass man sie künftig schon an ihrem Stil erkennen kann, auch wenn sie noch so pseudowissenschaftlich daherkommen. "Rufmord" sollte man da freilich nicht zwangsläufig vermuten, auch wenn solche Inhalte wohl den Straftatbestand erfüllen können, "eine größere Anzahl von Menschen in Furcht zu versetzen". Oft wollt' sich einer (Medizinstudent?) mutmaßlich nur einen Jux machen.
Bitte schön!
Und, auch dies wollte die Sicherheitsvertrauensperson wissen: "Warum werden die Leute nicht davor gewarnt, dass falsche Infos durch die Gegend geistern?" - Bitte schön. Was hiermit wohl ausführlichst geschehen ist. Hoffentlich noch ehe eine gefährliche Leptospirose-Epidemie via Mails in Österreich ausbricht!
Das Mail im Original
http://www.wienerzeitung.at/bilder/dossier/viren/hoaxcan.jpg Betreff: Wichtige MitteilungWichtige Mitteilung über ein soeben erhaltenes E-Mail:Die folgende Mitteilung ist absolut kein Witz !!Wichtigkeit: Hoch"Seid bitte vorsichtig!"Medizinische MitteilungKürzlich verstarb eine Frau unter absurden Umständen. Sie trank von Mineralgetränkebüchsen (Fanta, Coca, usw.) als sie auf dem Genfer See war. Montags wurde sie ins CHUV in Lausanne eingeliefert und am Mittwoch verstarb sie. Die Autopsie ergab, dass sie an Leptospirose fulgurante verstorben war. Sie hatte kein Glas mit auf's Schiff mitgenommen und direkt von der Büchse getrunken.Eine Kontrolle der Büchsen hatte ergeben, dass die Büchsen mit Rattenurin, also Leptospiras, verunreinigt waren. Die Frau hatte wahrscheinlich den oberen Teil der Büchse nicht gereinigt, bevor sie trank. Diese war mit trockenem Ratten-urin infiziert, welches giftige, tödliche Substanzen, so das Leptospiras enthält, welche die Leptospirose auslöst.Diese Büchsen werden in Lagern aufbewahrt, welche voll Ratten sind und kommen dann ungewaschen in den Handel. Die Büchsen sollten nach dem Kauf, bevor sie sie in den Kühlschrank tun, mit Geschirrwaschmittel gründlich gereinigt werden. Gemäß einer Untersuchung in Spanien durch INMETRO, sind die Büchsen stärker verseucht als öffentliche Toiletten!!!Diese Mitteilung sollte an so viele Leute wie möglich weitergeleitet werden. Mitteilung vom Kantonsspital Genf.Ing. G. H. Zentrum für Medizin- u. Labortechnik...Ich denke, der Inhalt dieser Mitteilung ist wichtig genug, um von ALLEN gelesen und weitergegeben zu werden.