Mitterlehner und Mikl-Leitner attackieren den Koalitionspartner frontal - die SPÖ wehrt sich (vorerst) nicht.
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Bad Leonfelden/Wien. Der Tag begann, wie der vorherige geendet hatte. Bei ihrer Klubklausur in Bad Leonfelden wetzte die ÖVP auch am Freitag die rhetorischen Messer gegen die SPÖ, gegen deren Präsidentschaftskandidaten Rudolf Hundstorfer - und vor allem gegen Flüchtlinge.
So ließ Vizekanzler Reinhold Mitterlehner keinen Zweifel daran, dass sich der Wahlkampf um die Flüchtlingsfrage drehen werde. Unbestritten ist auch, dass er schon im Kontext der Nationalratswahl 2018 steht. Auch mit der FPÖ könne man eine Zwei-Drittel-Mehrheit erreichen, ließ er die SPÖ wissen. Fest steht: Das Kalkül der ÖVP ist es, das rechte Wählersegment anzusprechen, bevor noch der FPÖ-Kandidat feststeht. Wie weit die ÖVP inzwischen nach rechts gerückt ist, lässt sich allein anhand der von Mitterlehner bemühten Vergleiche ablesen. Die Flüchtlingsbewegung sei wie ein "Hochwasser", das nur mit entsprechender Erfahrung "abgewehrt" werden könne.
"Wir können gar nicht anders, als da mitzuziehen"
An eine europäische Lösung der Fluchtbewegung, auf die die SPÖ nach wie vor hofft, glaubt man bei der ÖVP nicht mehr. Im Gespräch mit den Abgeordneten wird klar, dass man sich an Schweden, Dänemark und Deutschland ein Beispiel nehmen und auf nationaler Ebene Maßnahmen zur Begrenzung der Flüchtlingsströme setzen will. "Wir können gar nicht anders, als da mitzuziehen", so ein ÖVP-Abgeordneter, der nicht genannt werden möchte, zur "Wiener Zeitung". Das "Grenzmanagement" an Österreichs Südgrenze soll jedenfalls bereits Ende kommender Woche starten.
Sachleistungen für Asylberechtigte, Grundversorgung statt Mindestsicherung für subsidiär Schutzberechtigte, Asyl auf Zeit, Wartezonen an den Grenzen und nicht zuletzt die Obergrenze, die schon kommende Woche konkret festgelegt werden soll - der Plan B der ÖVP steht. Die SPÖ ist unter Zugzwang. "Die SPÖ muss sich von ihrer Willkommenskultur verabschieden und erkennen, dass es eine faktische Obergrenze geben muss", sagte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner.
Doch bei der SPÖ entschied man sich am Freitag dazu, Hundstorfer nicht die Show zu stehlen und die Attacken nicht zu kommentieren. Dass man keine eigene Antwort auf die Flüchtlingsbewegung habe, ließ man nicht gelten: Schließlich habe der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser gerade erst ein Sieben-Punkte-Programm dazu verkündet. Von Obergrenzen hält bei den Sozialdemokraten aber niemand etwas.
Der Politikwissenschafter Fritz Plasser sieht drei strategische Gründe für die scharfe Tonalität der ÖVP: Erstens würde man so die Stimmungslage abfangen, zweitens bereite man für den Präsidentschaftskandidaten Andreas Khol thematisch den Boden vor. Und drittens - für Plasser der wichtigste Grund - könne man damit vor dem Asylgipfel am Mittwoch eine starke Verhandlungsposition einzementieren, wie sie "wahrscheinlich von der der Mehrzahl der regierenden Landeseliten geteilt wird". Dass die SPÖ nicht reagierte, wertet er nicht als Schwäche, sondern als "PR-Disziplin". Er will jedenfalls nicht ausschließen, "dass wir uns noch vor 2018 in einem Nationalratswahlkampf befinden".