Vor 55 Jahren wurde der Katastrophenfonds gegründet. Wie es dazu kam und wie er funktioniert.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 3 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
In den kommenden Tagen werden in etlichen Orten Österreichs drei Gabenbringer von Haus zu Haus ziehen. Mit den Sternsingern hat dies nichts zu tun, es handelt sich vielmehr um die in der Regel dreiköpfige Schadenerhebungskommission, die in allen vom Hochwasser betroffenen Gemeinden nun Hausbesuche abstattet, um die entstandenen Schäden zu begutachten und aufzunehmen. In Niederösterreich besteht das Gremium aus dem Bürgermeister oder der Bürgermeisterin, dazu einem Gemeinderat der zweitstärksten Fraktion sowie einem Bausachverständigen. Spezialisten können bei Bedarf noch hinzugezogen werden.
Die Aufnahme der Schäden ist wichtig, denn erst auf Basis der Bewertungen dieser Kommission können vom Hochwasser Betroffene dann Unterstützung beantragen. Zudem erstellt das Land ein Gutachten, in welchen Regionen ein "schweres Ereignis" stattgefunden hat, das als Voraussetzung für Gelder aus dem Katastrophenfonds des Bundes gilt.
Das heißt, nur dort, wo es tatsächlich zu Hochwasser gekommen ist, können Geschädigte mit Zahlungen aus dem Fonds rechnen. Durch die hohen Regenmengen kann es aber natürlich in vielen Gemeinden vereinzelt zu Wassereintritten in Kellern gekommen sein, weil irgendwo ein Abfluss kurz verstopft war. In diesem Fall bleiben die Geschädigten dann aber auf dem Schaden zur Gänze sitzen. Gibt es keine private Versicherung, bleibt nur die Hoffnung auf eine lokale Unterstützung durch die Gemeinde.
In den Gebieten, die großflächiger von Überflutungen betroffen waren, wie etwa Hallein, Mittersill oder Kufstein sowie entlang der Donau in etlichen niederösterreichischen Regionen, leistet der Katastrophenfonds des Bundes Unterstützung, der ein klassisches Beispiel für die mittlerweile in Verruf geratene Anlassgesetzgebung ist. Es hat allerdings auch hier mehrerer Anlässe bedurft, um eine kleine Leerstelle im Bundes-Verfassungsgesetz zu füllen. In dieser ist die Zuständigkeit der Katastrophenhilfe nämlich nicht explizit erwähnt, womit sie gemäß Artikel 15, Absatz 1, in den "selbständigen Wirkungsbereich der Länder" fällt.
450 Millionen im Fonds - ein Teil fließt ins Budget
Doch schon eine der ersten Naturkatastrophen der jungen Zweiten Republik, der Lawinenwinter 1950/51 mit 135 Toten und mehr als 200 zerstörten Gebäuden, zeigte, dass sich auch der Bund an der Hilfe beteiligen muss. Über Sondergesetze wurden betroffene Länder unterstützt, bis dann 1965 und 1966 zahlreiche Hochwässer Österreich heimsuchten. Osttirol und Kärnten waren besonders stark betroffen, aber auch Niederösterreich entlang der Donau. Durch Murenabgänge kamen in Österreich damals insgesamt 64 Menschen ums Leben.
Eine konkrete Folge dieser Ereignisse war das Katastrophenfondsgesetz 1966, das die Co-Finanzierung des Bundes dauerhaft gesetzlich verankerte. Seither wurden zwar etliche Adaptierungen vorgenommen, in den Grundzügen ist es aber noch heute in Kraft. Die letzte größere Reform stammt aus dem Jahr 1996.
Befüllt wird der Fonds mit Anteilen aus der Einkommen-, Lohn-, Kapitalertrag- und Körperschaftsteuer. Jedes Jahr fließen 1,1 Prozent aus diesen Steuertöpfen zweckgebunden in den Fonds. Vor dem Corona-Jahr 2020 waren dies bereits mehr als 450 Millionen Euro. Der wirtschaftliche Einbruch hat sich auch im Katastrophenfonds niedergeschlagen, dennoch ist auch im Vorjahr Geld im Fonds übrig geblieben. Maximal 30 Millionen dürfen als Rücklage gebildet werden, alle darüber hinaus liegenden Überschüsse fließen zurück ins allgemeine Budget. Im Jahr der Wirtschaftskrise 2009 hatte man auf die Rücklagen zugreifen müssen, in der Regel ist der Puffer aber groß genug. Im Jahr 2018 durfte sich der Finanzminister sogar über 89 Millionen Euro freuen, die aus dem Fonds ins Budget zurückflossen.
Im Jahr 2009 waren auch nicht besonders schlimme Naturkatastrophen Grund für das Minus im Fonds, sondern eben die Rezession nach der Finanzkrise. Der überwiegende Teil der Auszahlungen, im Jahr 2019 waren es mehr als drei Viertel (77,7 Prozent), betrifft vorbeugende Maßnahmen. Dabei handelt sich um langfristige Projekte für den Lawinen- und vor allem Hochwasserschutz. Zwischen 12 und 20 Prozent werden für Schäden aufgewendet (Ausnahme war die "Jahrhundert-Flut" 2002) etwa zehn Prozent für Einsatzgeräte für Feuerwehren.
Niederösterreich stellte System der Hilfe um
Harmonisiert ist der finanzielle Schlüssel bei der Begleichung von Unwetter-Schäden. 60 Prozent kommen vom Bund, also aus dem Katastrophenfonds, 40 Prozent stemmen die Länder. Diese entscheiden auch, wie genau die Abwicklung funktioniert und wie viel des Schadens abgedeckt wird. In Niederösterreich werden Privaten (Personen und Unternehmen) 20 Prozent der Schäden ersetzt, in sozialen Härtefällen kann dieser Satz bis zu 50 Prozent erhöht werden. Einen substanziellen Teil müssen die Geschädigten selbst aufbringen. Sollten sie versichert sein, wird die Schadenssumme um die Zahlung der Versicherung gemindert. Auch Länder und vor allem Gemeinden werden nach Naturereignissen aus dem Katastrophenfonds entschädigt.
Das Land Niederösterreich hat nach der "Jahrhundert-Flut" 2002 das System umgestellt und entbürokratisiert. Bis dahin mussten Rechnungen eingereicht werden, die dann mühsam administriert wurden. Seit 2003 gibt es Pauschalschätze, die sich etwa aus der Höhe des eingedrungenen Wassers in einen Wohnraum oder einen Keller bemessen. Ob die teure Briefmarkensammlung weggespült wurde oder doch nur Sperrmüll, ist nicht relevant. Das kann in Einzelfällen bitter sein, die Zufriedenheit mit dieser Abwicklung sei aber hoch, heißt es.
Für Schäden in der Landwirtschaft gibt es keine Direktzahlungen aus dem Fonds. Hier greift ein anderes System. Seit einigen Jahren können sich Landwirte gegen alle möglichen Naturereignisse sehr umfassend versichern, nicht mehr nur gegen Hagel. Die deshalb höheren Prämien werden staatlich gestützt, und dafür kommt das Geld ebenfalls aus dem Katastrophenfonds.