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Der Tote hat keine Stimme

Von Christina Böck

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Sie ist eine der herausragendsten Krimipersonal-Erfindungen der letzten Jahre. Vielleicht ist sie sogar die herausragendste: Lisbeth Salander, die tätowierte Hackerin, die in den "Millennium"-Romanen von Stieg Larsson eine tragende Rolle spielt. Larsson schaffte es nur, drei dieser Romane selbst fertigzustellen. Vor neun Jahren starb der Journalist und Schriftsteller an einem Herzinfarkt. Erst posthum wurden seine Thriller zum Verkaufserfolg. Und zum Auslöser eines Erbschaftsstreits. Seine Lebensgefährtin Eva Gabrielsson ficht seit Jahren mit seinen gesetzlichen Erben (Vater und Bruder) um einen Laptop, der sich in ihrem Besitz befindet. Und der brisantes Material gespeichert haben soll: die Pläne für den vierten Teil der Serie, die von Larsson ursprünglich auf zehn Teile ausgelegt war.

Nun hat der Norstedts-Verlag offenbar beschlossen, nicht länger auf den Ausgang dieses Streits zu warten. Und hat einen Autor beauftragt, eine Fortsetzung zu schreiben. Unabhängig von den Wünschen des Urhebers des "Millennium"-Kosmos.

Das ist natürlich nicht die optimale Lösung. Und zeugt nicht unbedingt von erhöhtem Respekt vor dem Autor. Aber andererseits ist die Perspektive des Verlags auch verständlich. Bis sich die Kontrahenten einigen, können noch Jahre vergehen. Bis dahin ist vielleicht das Interesse, das auch durch die Verfilmungen angefacht wird, endgültig verflogen. Und wer würde einen Millionenseller nicht bis zum bitteren Ende ausschlachten wollen. Auch wenn der Wille eines Toten dabei auf der Strecke bleibt. Der neue Autor David Lagercrantz wird wohl sehr aufmerksame Leser haben.