Zum Hauptinhalt springen

Der Tourist als Wiederholungstäter?

Von Beatrix Neiss

Wirtschaft

Gewerberechtlich existieren sie noch immer: Die kleinen und mittelgroßen Reisebüros in Wien, die meistens als klassischer Familienbetrieb geführt sind. Ihre Geschäfte machen sie allerdings als so genannte M.I.C.E. (Meetings, Incentives, Conventions, Events-)Agenturen. Martin Hodi, Geschäftsinhaber von e+o Incentives & Conventions, erörtert im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" die Überlebensstrategien für ein ehemaliges "klassisches" Wiener Reisebüro.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 23 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

"Die Konkurrenz schläft schon lange nicht mehr" betont Hodi die Wichtigkeit von Flexibilität in seiner Branche: "Wer glaubt, dass der Kunde automatisch kommt, irrt gewaltig." Hinter diesem Satz verbirgt sich ein beinharter Wettbewerb um Geschäftskunden, damit sie ihren Event in Wien stattfinden lassen. "Wir reüssieren besonders im Individualincentive-Bereich". Damit sind "Lockmittel" in Form von "Kulturzuckerln" wie Festspielkarten oder Tickets für das Silvesterkonzert der Wiener Philharmoniker gemeint.

Denn eines steht fest: Als kleines Incoming-Reisebüro könnte "e+o" nicht mehr überleben. Bereits 1998 wurde umstrukturiert und das Internet erst von wenigen Mitstreitern als stärkster Konkurrent gesehen. Mittlerweile werden "Gesamtpakete für den hochpreisigen Geschäftskunden" angeboten, der einen perfekten Event lieber "in die Hände einer erfahrenen Dienstleistungsagentur" legen will, ohne firmeneigene Abteilungen damit zu überlasten. Was macht nun eine Agentur, die im Grunde ein Reisebüro ist? "Wir verstehen uns als Schnittstelle zwischen den klassischen Kommunikationsagenturen wie Werbung und PR und einer reinen Eventagentur", versucht Hodi eine gewisse Branchenidentität herauszuarbeiten.

Als Vorbild für sein Unternehmen, als so genannter "Meetingplanner", wird die USA gesehen. In Österreich ist es noch nicht selbstverständlich, die firmeneigenen Veranstaltungen, Produktpräsentationen oder Incentives für Mitarbeiter-Innen gänzlich auszulagern - "es macht allerdings einen gewaltigen Unterschied, ob ich eine Veranstaltung mit 20 Personen plane oder mit 250". Hier setzt der Tourismusfachmann auf Qualität und Erfahrung seiner MitarbeiterInnen. Zum Kundenkreis zählen hauptsächlich Unternehmen aus der Pharmaindustrie, der Telekommunikationsbranche bzw. Firmen, die ihre Events schon seit Jahren erfolgreich auslagern. Wiederum punktet eine Agentur wie e+o, indem sie den Kunden Zeit- bzw. Kostenersparnis anbietet - obwohl exakte Erfolgsberechnungen häufig fehlen. Der Trend in Richtung Auslagerung zeichnete sich bereits als Reisebüro ab, erinnert sich der Firmenchef, dass der Erstkontakt zu den ausländischen Unternehmen "bereits von den Eltern" aufgebaut wurde. Oft bedarf es heute "keiner eigenen Ausschreibung mehr", um den Zuschlag für ein Gesamtkonzept, inklusive Logistik und Beratung, zu erhalten.

Kalkuliert werde bei "Meetingplannern" in Pauschalsätzen, ähnlich den Consultingunternehmen. Das habe nichts mehr mit den Kommissionen, Zu- oder Abschlägen der Reisebüros zu tun. Damit eine Beratungsleistung vom Kunden wirklich angenommen werden könne, sei es notwendig, immer neue, attraktive, "Locations" sowie Verkaufsargumente (Unique Selling Propositions - USP's) für Wien zu finden. Aber das kann auch missverstanden werden: "Das Sisi-Jahr muss für einen Kunden aus Mailand nicht unbedingt ein positives Wien-Bild hervorrufen." In Zukunft sollten, wie der Geschäftsmann Hodi betont, die USP's "besser überlegt werden". Hier seien die offiziellen Stellen gefordert.

Denn: Ob sich jetzt ein Unternehmen als M.I.C.E. - Agentur am Markt positionieren könne oder nicht, hänge schlussendlich davon ab, inwieweit der Tourist "zum Wiederholungstäter wird" und Wien immer wieder als Destination bucht, lautet die Aussage des Branchenkenners.