Mit vereinten Kräften wollen Rechtspopulisten die EU verändern, doch der Zusammenhalt ist ihre Schwachstelle.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 5 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Rom/Warschau/Brüssel/Wien. Eine Rückkehr zu Europas Wurzeln: Wenn Politiker diese Parole bemühen, ist ihr Interpretationsspielraum groß. Hineinpassen würden nämlich sowohl die Völkerwanderung als auch das Christentum, Kriege und Friedensbündnisse, Aufklärung und Emanzipation ebenso wie das Auf und Ab der Demokratie und des Liberalismus. Doch wenn Populisten sich des Bildes bedienen, wird die Bedeutung dann doch eng gefasst. Unter der Rückkehr zu Europas Wurzeln versteht Matteo Salvini beispielsweise "weniger Bürokratie, mehr Arbeit und Familie". So erklärte es der italienische Innenminister nach einem Treffen mit seinem polnischen Amtskollegen, Joachim Brudzinski, am Mittwoch in Warschau.
Doch aus den Wurzeln heraus will Salvini weiter wachsen. Einen "neuen europäischen Frühling" wünscht er sich, eine "Renaissance der europäischen Werte", mit Polen und Italien als Teil davon. Der Vorsitzende der rechtspopulistischen Lega ist auf der Suche nach Verbündeten für sein Vorhaben. Gut fünf Monate vor der EU-Wahl lotet er die Möglichkeiten für künftige Koalitionen auf EU-Ebene aus. Das führte ihn unter anderem eben nach Warschau, wo er neben Brudzinski auch den Vorsitzenden der nationalkonservativen Regierungspartei PiS (Recht und Gerechtigkeit), Jaroslaw Kaczynski, traf.
Immer mehr Zuwendung
In einigen Punkten würden die beiden Gruppierungen durchaus übereinstimmen: Sie sind migrationsskeptisch bis -feindlich, wollen die nationalen Kompetenzen gegenüber den gemeinschaftlichen stärken, positionieren sich auf der rechten Seite des politischen Spektrums. Es geht denn auch um ein breites rechtes Bündnis, von dem die Parteien träumen und das nach Salvinis Vorstellungen vielleicht schon vor der Wahl im Mai geschmiedet werden könnte. Im künftigen EU-Parlament soll es jedenfalls ein Gegengewicht zu den etablierten, EU-freundlichen Kräften bilden.
Für so eine Allianz würden sich ebenfalls die deutsche AfD, die österreichische FPÖ oder Rassemblement National der Französin Marine Le Pen anbieten, ebenso schwedische, niederländische oder andere Nationalisten. Viel an Schlagkraft würden sie durch die Teilnahme der Partei Fidesz von Ungarns Premier Viktor Orban gewinnen. Doch diese ist in der Europäischen Volkspartei (EVP), der stärksten Fraktion im EU-Abgeordnetenhaus, vertreten und zeigt derzeit kein Interesse daran, dies zu ändern.
Aber die Stimmung in vielen EU-Ländern könnte den Rechtspopulisten in die Hände spielen. EU-skeptische und populistische Parteien erhalten nämlich immer mehr Zuwendung. Derzeit halten sie etwa ein Fünftel der Sitze im EU-Parlament. Nach dem Votum im Mai könnte es schon beinahe ein Viertel sein, wie aus einer aktuellen Prognose der Organisation VoteWatch hervorgeht, die sich mit Abstimmungsverhalten und Wahlszenarien befasst. Zusammen könnten sie in der Volksvertretung sogar die zweitstärkste Fraktion nach den Christdemokraten bilden, da anzunehmen ist, dass die bisher auf die EVP folgenden Sozialdemokraten deutliche Verluste hinnehmen müssen.
Genau das aber ist die Schwachstelle der Rechts- und anderer Populisten: der Zusammenhalt. Es dauerte Jahre, bis es zur Bildung einer EU-Parlamentsfraktion rechtsaußen kam, die damals Le Pens Front National, die italienische Lega Nord, die FPÖ, die niederländische Partei für die Freiheit von Geert Wilders und andere vereinte. Aber Europa der Nationen und der Freiheit blieb die kleinste Gruppierung. Sie hat derzeit 34 Mandatare von 751 Abgeordneten.
Deutliche Zersplitterung
Mehr als doppelt so viele Sitze hält da die Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer, in der etwa die polnische Partei PiS und die britischen Konservativen vertreten sind. Außerdem gibt es noch die Fraktion Europa der Freiheit und der direkten Demokratie, ein loses Zweckbündnis etwa für die Schwedendemokraten.
Dass diese Zersplitterung nach den Wahlen im Mai aufgehoben wird, scheint wenig wahrscheinlich. Das zeigen bei aller gemeinsamen EU- oder Migrationsskepsis die ideologischen Unterschiede. Manche rechtspopulistische Parteien sehen beispielsweise die FPÖ als rechtsextrem an und distanzieren sich. Anderen - wie gerade der PiS-Partei - gefällt die Nähe zu Russland nicht, die etwa Salvinis Lega zeigt. Die deutsche AfD wettert gegen die italienische Verschuldung. Die Überwindung all der Differenzen und die Bildung eines gemeinsamen Blocks scheint da schwierig - und noch vor dem Urnengang so gut wie ausgeschlossen.