In fünf Jahren soll es vollautomatische Sicherheitskontrollen ohne Warteschlangen geben. | Singapur/Wien. In London Heathrow ist wohl schon mancher Transitpassagier verzweifelt. Scheinbar endlos geht es in den engen Gängen durch den Bauch von Europas größtem Flughafen, bis sich schließlich der riesige Kontrollbereich mit seinen Röntgenmaschinen auftut. Wenn man Letztere überhaupt sehen kann: Denn die langen Menschenschlangen scheinen - ganz egal zu welcher Tages- oder Nachtzeit - immer bis zum Ende des Raums zurückzureichen. | Die Luftfracht, das mitunter unbekannte Wesen | Scannen von Flüssigkeiten aufgeschoben | Der Körperscanner - ein Flop?
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Und das Sicherheitspersonal kennt in der Regel kein Erbarmen: Der Gürtel muss herunter, auch wenn er eine Plastikschnalle hat, und das Feuerzeug landet im Müllcontainer, auch wenn es am vorherigen Flughafen problemlos durchgewunken wurde. Dass auch die Schuhe durchleuchtet werden und der Reisepass auf dem Weg zum Gate zumindest dreimal kontrolliert wird, überrascht da nur noch den Heathrow-Neuling.
Der Londoner Großflughafen mag zwar ein Extrembeispiel sein, doch er ist bei weitem nicht der einzige Airport, der seine Sicherheitskontrollen aus Angst vor möglichen Terroranschlägen im letzten Jahrzehnt massiv verschärft hat. Neben anderen großen EU-Flughäfen wurde vor allem in den USA die Abfertigung für die Passagiere zum Spießrutenlauf.
Wenn es nach dem Weltluftfahrtverband IATA geht, soll all das aber schon bald ein Ende haben. Möglich soll das durch eine vollautomatische Sicherheitskontrolle werden, deren Prototyp bei der IATA-Jahrestagung in Singapur vorgestellt wurde. Dabei muss das Handgepäck nicht mehr auf ein Laufband gelegt werden, die Laptops bleiben in der Tasche und die Schuhe an den Füßen.
Checkpoint der Zukunft
"Wir geben im Jahr 7,4 Milliarden Dollar (gut 5 Milliarden Euro, Anm.) aus, um die Luftfahrt sicher zu machen", sagt IATA-Chef Giovanni Bisignani. "Aber die Passagiere sehen nur Ärger. Dabei sollen sie doch mit Würde durch die Kontrollen kommen, ohne gestoppt zu werden, ohne sich ausziehen zu müssen, und mit Sicherheit, ohne begrapscht zu werden."
Der Checkpoint der Zukunft besteht aus drei ungefähr zehn Meter lange Röhren mit unterschiedlich hohen Sicherheitskontrollen. Vielflieger, die ihre persönlichen Angaben in einer Datenbank hinterlegt haben, werden anhand ihrer Pass- und biometrischen Daten erkannt und gehen durch die erste Röhre. Im Vorbeigehen scannen Maschinen in den Wänden Mensch und Gepäck nach Metallgegenständen und Flüssigkeiten.
Wer anhand seines Passes als Passagier mit "normalem Risiko" identifiziert wird, geht durch die zweite Röhre. Hier prüft ein Scanner - im Vorbeigehen - auch Sprengstoffspuren.
Die dritte Röhre ist für Risiko-Passagiere, die etwa vorbestraft sind. Sämtliche Scanner sind aber darauf geeicht, schärfer zu kontrollieren.
Der Prototyp sei auf begeisterte Zustimmung der Airlines und Flughäfen gestoßen, so der IATA-Direktor für Sicherheit, Kenneth Dunlap. Es sei jetzt an der Industrie, die nötigen Technologien zur Reife zu bringen. "Das wäre das Ende langer Schlangen vor den Kontrollen."
In fünf Jahren Realität?
Nach Angaben der IATA - in ihr sind insgesamt 230 Fluggesellschaften organisiert, auf die zusammen 93 Prozent des globalen Flugverkehrs entfallen - könnte die Vision in fünf Jahren Wirklichkeit werden. Die IATA schätzt, dass sich etwa ein Drittel der Passagiere als Vielflieger registrieren lassen würde und 60 Prozent als "Normalrisiko" eingestuft würden.
Für den Checkpoint der Zukunft rührt man vor allem auch bei der österreichischen Lufthansa-Tochter Austrian Airlines (AUA) kräftig die Werbetrommel. "Wir sind dafür, dass die Sicherheitskontrollen für die Passagiere möglichst stressfrei und damit angenehmer und komfortabler werden. Ohne mehr Einsatz von intelligenter Technologie wird es auf Dauer nicht gehen", sagt AUA-Sprecher Martin Hehemann im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".
Er argumentiert vor allem mit dem weltweit stetig zunehmenden Passagiervolumen. "Weil der Wohlstand wächst, wird immer mehr geflogen. Das bedeutet automatisch mehr Verkehr", so Hehemann. "Wenn auf den Flughäfen nichts gemacht wird, platzen die Terminals aus den Nähten. Dann werden die Warteschlangen bei den Sicherheitschecks immer länger und länger - zum Ärger der Flugreisenden." Dieses Problem hätten viele Flughäfen schon jetzt, betont Hehemann. Daher müsse rasch etwas dagegen getan werden.
Ob sich der "Traum" von Sicherheitskontrollen ohne Grapschen und Ausziehen bereits in absehbarer Zeit verwirklichen lässt, bleibt freilich abzuwarten. Zu dem Projekt gibt es auch kritische Stimmen, die davon sprechen, dass dessen Umsetzung "zumindest für die nächsten 15 bis 20 Jahre nicht realistisch" sei.
Automatische Sicherheitskontrollen schon in fünf Jahren zu haben, wie die internationale Luftfahrtindustrie spekuliert, "ist ein frommes Wunschdenken", meint ein Airline-Experte, der namentlich nicht genannt werden will. Ein wunder Punkt dabei sei vor allem, dass die "Bedrohungsszenarien ständig wechseln" und die Geräte und Systeme "technisch noch lange nicht so ausgereift sind, dass sie von den Sicherheitsbehörden akzeptiert werden".
Ticketpreise viel höher?
Außerdem gibt der Luftfahrtexperte zu bedenken: "Bei diesen neuen Sicherheitsstraßen würde die Abfertigung zwar viel schneller gehen, für die Passagiere würde es aber deutlich teurer werden." Seien es im Moment rund 10 Euro, die jeder Flugreisende für den Sicherheitscheck im europäischen Durchschnitt indirekt zu zahlen habe, wäre es künftig mit rund 100 Euro das Zehnfache. "Der Investitionsaufwand für die Umstellung auf den Flughäfen wäre massiv", sagt der Fachmann gegenüber der "Wiener Zeitung" zu den Gründen.
Andere Branchen-Insider halten dem entgegen, dass diese Kosten jedoch nicht unbedingt auf die Passagiere abgewälzt werden müssten. Die meisten Flughafenbetreiber hätten aufgrund hoher Gewinn-Margen genug Geld, diese Investitionen selbst zu schultern und nicht an die Airlines und deren Kunden weiterzureichen.
Beim Wiener Flughafen hält man sich rund um Fragen einer wesentlich einfacheren Sicherheitskontrolle derzeit noch bedeckt. Pressesprecher Peter Kleemann sagt lediglich: "Das Innenministerium legt fest, welche Sicherheitstechnologie eingesetzt werden soll. Wenn es uns eine neue Technologie vorschreibt, werden wir die selbstverständlich umsetzen."
Eine Entscheidung ist hier allerdings auch davon abhängig, worauf man sich auf internationaler Ebene letztlich einigt. Zu Alleingängen einzelner Airports in Abstimmung mit den nationalen Sicherheitsbehörden wird es deshalb wohl nicht kommen.