Die aufstrebenden "New Economy"-Firmen werden in Zukunft auch Bedarf an neuen "maßgeschneiderten" Fachkräften haben. Wird das Arbeitsmarktservice Österreich (AMS) die steigende Nachfrage der Unternehmer bewältigen oder werden Private das AMS vom Markt verdrängen? Das AMS droht weiters von der "Privatisierungswelle" überrollt zu werden, wenn es sich nicht an die neuen Verhältnisse am österreichischen Arbeitsmarkt anpasst.
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Wie Herbert Buchinger, Chef des AMS-Österreich, gegenüber der "Wiener Zeitung" konstatiert, ist die Reform des AMS-Österreich nicht "eine Privatisierung im Sinne des Wortes", sondern eine "Veränderung der Unternehmensstruktur, die Veränderung der Rechtsform von einer Anstalt des öffentlichen Rechts in eine GesmbH".
Das eine ist die Reform der Organe, die Reform der Verfahren in denen die strategischen Entscheidungen fallen und das andere ist die Neuorganisation des "Betriebes AMS. Bei der Umstrukturierung des Betriebes AMS verfolgen wir die Absicht, die Dienstleistungen auf den regionalen Geschäftsstellen (RGS), am point-of-sale, dort, wo der Kunde bedient wird, neu zu gestalten".
Nach den Vorstellungen von Geschäftsführer Buchinger liegt die Effektivität des AMS im europäischen Spitzenfeld und soll sich durch das neue kundenfreundliche "Dreizonenmodell" am Markt positionieren.
Das 3-Zonen-Modell
In Zukunft soll jede RGS über drei Zonen verfügen. In der sogenannte Infozone, die für Laufkundschaften zur Verfügung steht, soll sich jeder Informationssuchende über Berufsbilder, Chancen am Arbeitsmarkt und die damit verbundenen Ausbildungen selbst ein Bild machen können. Zu diesem Zweck wird ein interaktiver Selbstbedienungsshop via Internet installiert, wo die Daten vom Kunden selbst weitergegeben und bearbeitet werden. Diese Zone erfolgt ohne Registrierung und ist völlig anonym.
Die zweite Zone ist die Servicezone, die speziell für jene Arbeitssuchenden eine Anlaufstelle sein will, deren Hauptanliegen Job und Geld ist. "In dieser Zone werden die Dienstleistungen integriert, Jobs und Geld aus einer Hand von einer Anlaufstelle, von ein und demselben Mitarbeiter des AMS. Gleichzeitig bekommt der Kunde Einschätzungshilfen und die Leistung aus der Arbeitslosenversicherung" so Buchinger.
Die dritte Zone, die "Beratungszone", ist vor allem für jene Arbeitslose mit größeren Integrationsproblemen, also für so genannte Schwervermittelbare, gedacht, wo gegebenenfalls ein neuer Qualifizierungsbedarf bzw. projektorientierte Maßnahmen notwendig sind. Der äußerst zeitaufwendige Beratungsdienst speziell für diese Zielgruppe konnte in der Vergangenheit nicht zur vollen Zufriedenheit aller Beteiligten durchgeführt werden. In der neu zu gründenden "Beratungszone" wird der AMS-Mitarbeiter "soweit von der Routine und Administration freigeschaufelt, dass pro Monat 30 Minuten Beratungszeit für den Kunden zur Verfügung stehen, um die Maßnahmen kundengerecht durchzuführen."
Die Fehler der vergangenen Jahre, wo "Standardmaßnahmen undifferenziert eingewiesen wurden," sollen laut Buchinger im neuen Organisationsmodell damit vermieden werden.
Auswirkungen des Prämiensystems
Die von Buchinger skizzierten Entscheidungen im AMS-Bereich legen die Vermutung nahe, dass Ausbildung, Erfahrung und Tätigkeit in einem frei bestimmten, individuellen Beruf vermutlich zur Gänze der Vergangenheit angehören werden. Wichtig ist die totale Anpassungsfähigkeit des einzelnen an die Marktbedürfnisse. Der Trend bestimmt das Berufsbild.
Das neue Organisationsmodell setzt AMS-Mitarbeiter mit einem hohen ökonomischen, sozialen und psychologischen Kenntnisstand voraus, der speziell in der "Beratungszone" gefragt sein wird. Demgegenüber stehen die Allrounder, die in der Servicezone über ein diagnostisches Wissen verfügen müssen. "Wir haben in den letzten Jahren sehr viel in die Beratungskompetenz unserer MitarbeiterInnen investiert, jährlich investieren wir 38 Mill. Schilling in die Aus- und Weiterbildung der MitarbeiterInnen," meint Buchinger.
Die mit dem AMS kooperierenden Bildungseinrichtungen werden in Zukunft durch sogenannte Train-the-Trainer-Weiterbildungen ebenfalls die Fachkompetenz ihrer MitarbeiterInnen erhöhen müssen, wollen sie mit den Aufgabenstellungen mithalten können.
Insgesamt erwartet man sich durch die gezielte Beratungstätigkeit des AMS eine Erhöhung der gesamten Wertschöpfung des AMS-Österreich. Eine gewisse Anreizwirkung für die MitarbeiterInnen des AMS erwartet sich Buchinger auch vom bereits existierenden innerbetrieblichen Prämiensystem. Demzufolge erhalten diejenigen MitarbeiterInnen eine Prämie, die einen Antrag rasch erledigen, die Langzeitarbeitslose durch geeignete Qualifizierungsmaßnahmen wieder in den Arbeitsmarkt integrieren bzw. die Arbeitslosigkeit bei Frauen durch geeignete Kursbuchungen verhindern oder verkürzen sowie die Jahresquantitäten in der Vermittlung überschreiten. Dies erfolgt ungeachtet der Tatsache, dass kooperierende Bildungseinrichtungen diese Trainingsarbeit übernehmen.
Das AMS ersetzt den Bildungseinrichtungen die Kosten, die ihnen im Rahmen der Auftragsarbeit entstehen, das AMS schließt hier "einseitig verbindliche Rechtsgeschäfte, wenn der Kurs durchgeführt wird". Dass heute ein IT-Trainer mehr wert sein soll als Fachleute in Sozialpädagogik, Ökonomie oder Trainer mit jahrzehntelanger Erfahrung im handwerklichen Bereich, werden in Zukunft die Bildungseinrichtungen ihren Trainern beim Vertragsabschluss erklären müssen. In Trainerkreisen sorgt dies bereits für heftige Diskussionen.
Arbeitslosenversicherung als "Cash Cow"
Für die Berechnung des Nutzens wird im Rahmen des AMS nicht von Effizienz, sondern von Effektiviät gesprochen. Als Effektivität wird - im AMS-Bereich insgesamt - die Zahl zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit betrachtet. Und die konnte, so Buchinger, "im Vergleich zu 1996 halbiert werden".
Regional, nach den Geschäftsstellen, ist anhand der eingeführten Kostenrechnungssystemen auch in Zukunft mit unterschiedlichem Output zu rechnen, da "ein erfolgreiches Zustandebringen eines Arbeitsverhältnisses in ländlichen Regionen mit mehr Aufwand verbunden ist als im städtischen Ballungsraum".
Die "cash-cow" des AMS ist die Arbeitslosenversicherung. "So wie das AMS organisiert ist, ist es nicht ablösbar von der Arbeitslosenversicherung. Es gibt auf der ganzen Welt kein Beispiel für eine private Arbeitslosenversicherung", so Buchinger.
Womit die Kernbereiche des AMS in Zukunft wie folgt aussehen:
Die Arbeitslosenversicherung, d.h. die Existenzsicherung, die Arbeitsvermittlung und als drittes Kerngeschäft die Arbeitsmarktförderung, d.h. die Förderung von Anpassungsprozessen am Arbeitsmarkt, damit sich Arbeitssuchende "an den Erfordernissen der Unternehmen ausrichten".
Der letzte große Bereich des AMS betrifft die Regulierung der Ausländerbeschäftigung, die, laut Buchinger, in der nächsten Zeit im Verhältnis "zu der sehr restriktiven Politik der letzten Jahre zugunsten der Markterfordernisse - in concretu in der IT und Tourismusbranche - gelockert werden soll." Das dahinterliegende Bewilligungsprocedere in Bezug auf die Zuständigkeiten (ob Land oder Bund) scheint allerdings noch keine kundenfreundliche Komponente für ansuchende Unternehmen zu beinhalten.
Frauenmaßnahmen
Für das Jahr 2000 verzeichnet das AMS ein Rekordergebnis bei Frauenmaßnahmen. Über 30.000 Frauen konnten wieder in den Arbeitsmarkt vermittelt werden. 1998 wurden 14.500 Frauen nach "Requalifizierung" in ein neues Beschäftigungsverhältnis gebracht. 1999 waren es bereits 25.000. Insgesamt setzt das AMS 50,2 Prozent der Mittel für Frauenmaßnahmen ein, wobei der Anteil der Frauen an der Arbeitslosigkeit "schwache 48 Prozent" beträgt. Experten der Arbeiterkammer weisen demgegenüber allerdings darauf hin, dass sich viele dieser Tätigkeiten lediglich in "atypischen Beschäftigungsverhältnissen" niederschlagen.
Im EU-Vergleich
"Alle NAP-Ziele (nationale Aktivitätspläne) für 2002 sind bereits 2000 erfüllt, d.h. Reduktion der Übertritte der Langzeitarbeitslosen bei Erwachsenen, Reduktion der Arbeitslosigkeit bei Jugendlichen, Steigerung des Anteils der Arbeitslosen in aktiven Maßnahmen auf 20 Prozent. Die Reduktion der Arbeitslosigkeit auf 3,5 Prozent nach EU-Standard werden wir heuer erreichen", skizziert Buchinger die Zielerreichung des AMS innerhalb der EU. Die Verpflichtung der Mitgliedstaaten der EU, nationale Beschäftigungspläne für die Beschäftigung vorzulegen (NAP-Pläne) gilt auch in Zukunft für Österreich und erklärt sich aus dem Amsterdamer Vertrag. Aufgrund dieses Vertrages kann sich "Österreich nicht aus der gesamteuropäischen Verpflichtung verabschieden" meint Buchinger.
In Bezug auf den NAP-Inhalt wird sich allerdings eine Verschiebung der Schwerpunkte in Zukunft ergeben. Laut Buchinger muss der Trend von der "Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit hin zur Befriedigung von Arbeitskräftemangelsituationen" lauten. Wobei wir wieder beim einzelnen Arbeitssuchenden angelangt wären, der sich "eben anpassen" muss.
Synergieeffekte zwischen AMS und Unternehmen
In Zukunft wird es - laut Buchinger - verstärkte Zusammenarbeitsmöglichkeiten mit den nachfragenden Unternehmen einerseits, dem AMS in Kombination mit Personalberatungs- und Organisationsentwicklungsunternehmen (OE-Unternehmen) andererseits geben. Ein Modell für die Leistungsvergabe an private Anbieter existiert nicht. Im Dreieck "AMS, Personalberatungsunternehmen und nachfragende Unternehmen hat niemand Hoheitsgewalt über den anderen", erklärt Buchinger seine Zukunftsvision. Nach den Vorstellungen des AMS-Chefs sollte die Qualität der Leistung unter Einhaltung gewisser Standards der Kommunikation ein Maßstab der Zusammenarbeit sein. Von den Personalberatungsunternehmen erwartet sich Buchinger eine gewisse "Bestenauslese" bei der Auswahl an geeigneten Personen, die den Anforderungen von Seiten der nachfragenden Unternehmen gerecht werden. In diesem Zusammenhang ist auch ein lückenloses Berichtswesen über die zugewiesenen Personen notwendig, z. B. "wenn sich Arbeitslose als nicht arbeitswillig zeigen".
Wo liegen die Chancen für "gesunde" Unternehmen?
Die Chancen für die Unternehmen als Nachfrager liegen in Zukunft darin, genau nach ihren Anforderungen ihren Auftrag gegen Entgelt an Kooperationspartner des AMS zu platzieren, um dann mit hoher Treffsicherheit den Besten zu erhalten.
In diesem Zusammenhang sollte laut Buchinger genügend Platz für das AMS und private Dienstleistungunternehmen auch in Bezug auf das Preis-Leistungs-Verhältnis bestehen.
"Wir glauben, dass wir mit diesem neuen Kooperationsmodell alte Frontstellungen überwinden, nicht nur altes Monopoldenken im Arbeitsmarktservice, sondern allzu ehrgeiziges Kompetitorenverhalten von Privaten, die meinen, sie könnten nur dann Geschäfte machen, wenn sie das AMS niederkonkurrieren," setzt Buchinger auf Fair-Play aller Beteiligten.
Das AMS will sich zukünftig als Marktagentur verstanden wissen, als starker Partner, der die Kundenwünsche zur vollsten Zufriedenheit aller Beteiligten erfüllt. Das "alte Schlachtschiff" sieht sich als "Startrakete" in die Zukunft mit dem Motto: "Wir verbinden Mensch und Arbeit".