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Der Triumph der erzlinken Demokratin

Von Thomas Seifert

Politik

Die Progressiven bei den Demokraten sehen sich nach dem Sieg von Ocasio-Cortez in New York im Aufwind.


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New York/Wien. Politisches Erdbeben in New York: Eine 28jährige Vertreterin des linken Flügels der Demokraten hat die Vorwahlen zum US-Kongress für ihren Wahldistrikt überraschend für sich entscheiden können. Die aus dem Stadtteil Bronx stammende 28-jährige Alexandria Ocasio-Cortez gewann mit rund 58 Prozent der Stimmen gegen den 56-jährigen Joe Crowley, der seit 1999 im Abgeordnetenhaus sitzt und als potenzieller Nachfolger von Franktionsführerin Nancy Pelosi gehandelt wurde.

Die Konturen der neuen politischen Plattentektonik in der Ära Trump werden langsam sichtbar: Trump hat die Republikanische Partei fest im Griff, die Demokratische Partei hat ein eindeutig linkeres Profil als unter Barack Obama oder den Clintons.

Ocasio-Cortez engagierte sich in der Präsidentschaftskampagne des Parteilinken Bernie Sanders, die Bronx, Heimatbezirk von Ocasio-Cortez ist der ärmste der fünf Bezirke von New York: 52 Prozent aller Haushalte im nördlichesten Bezirk von New York City leben nach Angaben des Stadtplanungs-Forschungszentrums Furman Center in Armut oder gar "extremer" Armut. Ocasio-Cortez hat eine spannende Biografie: Als Schülerin erreichte sie den zweiten Platz bei der Wissenschaftsolympiade, ihr zu Ehren benannte das Lincoln Laboratory am Massachusetts Institute of Technology einen Asteroiden nach ihr.

Die Tochter einer Puerto Ricanerin und eines aus der Bronx stammenden Vaters, studierte Wirtschaftswissenschaften und Internationale Beziehungen an der Boston Universität, arbeitete aber während ihres Studiums nebenbei als Kellnerin, um das Einkommen ihrer Mutter, die sich nach dem Krebs-Tod ihres Ehemannes als Reinigungskraft und Busfahrerin durchschlagen musste, aufzubessern.

Ocasio-Cortez ist eingetragenes Mitglied der Democratic Socialists of America, eine Partei, die ihre Wurzeln in der Sozialistischen Partei von Amerika hat - im europäischen politischen Koordinatensystem würde Ocasio-Cortez als Links-Sozialdemokratin oder Links-Grüne gelten..

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Schock für das Establishment

Die Niederlage ihres Gegenkandidaten, Joe Crowley, kommt für den erfahrenen Abgeordneten als Schock: Crowley hat über Drei Millionen Dollar in seine Wahlkampagne gesteckt, während Ocasio-Cortez nur rund 300.000 Dollar zur Verfügung hatte. Cortez hatte aber die Unterstützung des linken Parteiflügels, führte eine effiziente Straßen- und Social-Media-Kampagne und hatte den politischen Zeitgeist in New York auf ihrer Seite: Das Mode- und Lifestyle-Magazin "Vogue" brachte diesen in einem vergangene Woche erschienen Porträt auf den Punkt: "Sie sieht viel mehr aus wie ihre Wählerinnen und Wähler im sehr diversen 14. Wahldistrikt als Crowley, ein 56-jähriger weißer Mann."

Crowley hätte freilich gewarnt sein müssen - Bernie Sanders hatte im Jahr 2016 in diesem Wahlkreis 42 Prozent erreicht. Carisma und jugendliche Frische von Ocasio-Cortez waren wohl ein weiterer Faktor: Das letzte mal, als sich Crowley mit einem Gegenkandidaten oder einer Gegenkandidatin messen musste war Ocasio-Cortez noch nicht einmal wahlberechtigt. Das war im Jahr 2004. Der Wahlsieg von Ocasio-Cortez ist zudem ein weiteres Signal für die Anti-Establishment-Stimmung im Wahlvolk: "Die demokratische Partei nimmt die Unterstützung der Arbeiterschichten und der Farbigen als selbstverständlich", kritisierte Ocasio-Cortez in einem Interview vor den Vorwahlen. Crowley machte zudem den Fehler, dass er mehrfach Fernseh-Konfrontationen mit Ocasio-Cortez verweigerte, was ihm den Vorwurf, er sei arrogant, einbrachte.

Am Ende erwies Crowley sich als guter Verlierer: Bei seiner Wahlparty, die eigentlich als Siegesfeier geplant war, widmete er Ocasio-Cortez einen Song des New Yorker Lokalmatadors Bruce Springsteen: "Born to run" und spielte den Song tadellos auf seiner Gitarre.

Auftrieb für die Progressiven

Der Erfolg von Ocasio-Cortez gibt nun weiteren progressiven Kandidaten in der Demokratischen Partei Auftrieb: Etwa der aus Kalifornien stammenden Senatorin mit jamaikanisch-indischer Abstammung, Kamala Harris. Sie gilt als derzeit progressivste Vertreterin im US-Senat und es werden ihr Ambitionen auf die Präsidentschaftskandidatur nachgesagt.

Auch Eric M. Garcetti, Bürgermeister von Los Angeles mit mexikanisch-jüdischen Wurzeln wurde in der Vergangenheit immer wieder als ein möglicher Präsidentschaftskandidat für die Präsidentenwahlen im Jahr 2020 genannt. Er bedient sich gerne eines linken Jargons, setzt sich für die Rechte von Transgender-Personen genauso ein wie für allgemeine Krankenversicherung und schießt immer wieder scharf gegen Präsident Donald Trump.

Es wäre freilich das erste Mal in der Geschichte der Vereinigten Staaten, dass ein Politiker direkt vom Bürgermeisteramt ins Weißen Haus wechselt.