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Der tunesische Tsunami erreichte Ägypten

Von Amer Albayati

Gastkommentare

Wie lange können die diktatorischen, korrupten Regime der islamischen und arabischen Länder noch dem Drängen der Massen nach Freiheit, Demokratie, sozialer Gerechtigkeit und allgemeiner Entwicklung standhalten?


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Diese Frage beschäftigt in der jüngsten Zeit eigentlich alle Feinde und Freunde dieser Regime weltweit gleichermaßen. Der tunesischen Aufstand hat mit seiner starken Dynamik einen Tsunami ausgelöst. Die unterdrückten Menschen in den arabischen Ländern erheben sich in weiträumigen spontanen Protesten. Den Sturm der Massen kann man nicht mehr stoppen. Der tunesische Tsunami hat Ägypten erreicht.

Die Mehrheit der Bevölkerung sind Jugendliche, und zwar in allen Schichten. Die meisten von ihnen haben keine Ideologie, aber großen Zorn in sich. Sie leben im Zeitalter des Internet und mobiler Kommunikation, werden aber strikt kontrolliert. Der Zugang zu den modernen Kommunikationsmitteln wird eingeschränkt. Die Menschen, die mit den neuen Medien besser umgehen können, spielen jetzt Katz und Maus mit dem Regime. Und sie marschieren auf der Straße, weil sie die Unterdrückung und die Arbeitslosigkeit nicht mehr ertragen.

Wichtig ist, dass der Westen (vor allem die USA, Großbritannien und Frankreich) endlich im Interesse der Bevölkerung handelt und nicht auf Kosten der Menschen Allianzen mit den verteufelten autoritären Regimen aus politischen oder ökonomischen Interessen eingeht, unter dem Vorwand der Bekämpfung von Terror und islamischem Radikalismus. Der Westen darf nicht warten, bis es zum nächsten Aufstand kommt - er muss schon vorher den Demokratisierungsprozess beschleunigen und unterstützen, im Interesse aller, bevor zu spät ist.

Gleichzeitig sollen diese Völker endlich Demokratieverständnis lernen und sicherstellen, dass sie selbst ihre Zukunft bestimmen. Vor allem die benachteiligen Jugendlichen sind die Führer dieses neuen Aufstand. Die Parteien werden weiterhin unterdrückt.

Nur wenn wir all diese Probleme auflösen können, wird es möglich sein, einen Weltfrieden ohne Konflikte zu sichern und unterdrückte Völker wie jene in den islamischen und arabischen Ländern zu befreien.

Am Anfang der Proteste und Demonstrationen standen Selbstverbrennungen. Die Menschen haben in vielen arabischen Ländern ihre Ängste vor den Regimen verdrängt und den Aufstand gewagt. Die Regime haben mit polizeilichen Maßnahmen auf die Massenproteste reagiert. Die Herrscher werden aber erst bei ihre Flucht kapieren, dass die Sehnsucht nach Freiheit und Demokratie größer ist als die Furcht vor Repressalien. Die unterdrückten Menschen sind sogar bereit, dafür mit ihrem Leben zu bezahlen.

Wie lange diese Regime auch zu überleben versuchen, ihr Ende ist abzusehen. Gestern hat es in Tunesien begonnen, heute geht es in Ägypten weiter, morgen könnte ein anderes arabisches Land an der Reihe sein. Der Westen sollte dabei nicht länger teilnahmslos zuschauen.

Amer Albayati ist Mitbegründer der "Initiative Liberaler Muslime Österreich - ILMÖ".