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Der Tunnel im Gesetzeskonflikt

Von Christian Schuhböck

Gastkommentare
Christian Schuhböck ist Gerichtssachverständiger für Naturschutz, Landschaftsökologie und Landschaftspflege.

Schon das alte Projekt wurde Opfer eines Rechtsstreites. Ein ähnliches Schicksal droht nun auch dem "Semmering-Basistunnel neu".


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Im April 2012 soll der Spatenstich für den Semmering-Basistunnel erfolgen, obwohl noch gar nicht alle Genehmigungsverfahren für das Milliardenprojekt abgeschlossen sind. Schon beim alten Tunnelprojekt begannen die Bagger in Mürzzuschlag aufzufahren, ohne dass die naturschutzrechtliche Genehmigung hiefür vorlag. Der Sondierstollen wurde vorangetrieben, bis es zum befürchteten Wassereinbruch kam. Seither müssen auf Kosten des Steuerzahlers Millionen Liter Wasser täglich ausgepumpt werden. Seinerzeit wurde von 75 Litern pro Sekunde gesprochen; beim neuen Tunnelprojekt sind es bereits 450 Liter pro Sekunde. Bis zu 38 Millionen Liter Wasser sollen demnach täglich dem natürlichen Wasserhaushalt des niederösterreichischen Landschaftsschutzgebietes "Rax-Schneeberg" entzogen werden. Dennoch gibt es einen positiven Naturschutzbescheid der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen, angefochten von den Semmeringer Bürgerinitiativen. Denn sie stellen zurecht die Frage, weshalb seinerzeit ein Sechstel der Wassermenge ausgereicht hat, dass das Land Niederösterreich negative Naturschutzbescheide ausgestellt hat, nun aber - bei der sechsfachen Wassermenge - alles naturverträglich sein soll. Der geologische Aufbau des Semmerings und seine hydrogeologischen Eigenschaften können sich jedenfalls im Zeitraum von zwanzig Jahren kaum derart geändert haben, dass nun die Naturverträglichkeit gegeben wäre. Ganz im Gegenteil - der Semmering ist nach wie vor ein geologisch äußerst sensibles Gebiet, in dem auf engstem Raum drei geologische Großeinheiten, das Ober-, Mittel- und Unterostalpin, aufeinander treffen.

Deshalb müssen auch täglich 2 bis 11 Millionen Liter Wasser aus den S6-Schnellstraßentunnels abdrainagiert werden, damit diese nicht absaufen. Wenn nun auch noch die 38 Millionen Liter Wasser aus dem Semmering-Basistunnel abgeleitet werden sollen, hat dies gravierende Auswirkungen auf das Europaschutzgebiet "Nordöstliche Randalpen: Hohe Wand-Rax-Schneeberg". Nur wurde diese kumulative Wirkung im naturschutzrechtlichen Verfahren nicht geprüft, weshalb die Umweltorganisation "Alliance For Nature" Berufung eingebracht hat. Denn gemäß dem niederösterreichischen Naturschutzgesetz hat eine derartige Prüfung zu erfolgen. Sie wurde jedoch unterlassen, womit auch gegen EU-Recht verstoßen wurde.

Ähnliches gilt für die unterlassene Strategische Umweltprüfung, wie sie die EU-Richtlinie 2001/42/EG und das österreichische Bundesgesetz über die strategische Prüfung im Verkehrsbereich (BGBl. I Nr. 96/2005) vorschreiben. Somit wurde das Projekt "Semmering-Basistunnel neu" nicht allen gesetzlich vorgeschriebenen Prüfungsverfahren unterzogen. Der Baubeginn des Projekts "Semmering-Basistunnel neu" würde somit ebenso gesetzeswidrig erfolgen wie jener des alten Tunnelprojekts. Das letzte Wort werden wohl wieder die Höchstgerichte (VwGH und VfGH) zu sprechen haben, die aber selbst gerade bei einer wichtigen Zuständigkeitsfrage bezüglich Umweltverträglichkeitsprüfung uneinig sind.