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Der Turm des Anstoßes

Von Katharina Schmidt

Politik

Religionswissenschafter Fürlinger im Interview über den Kampf ums Minarett.


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Gmunden. Seit mehr als 100 Jahren anerkannt, aber kaum baulich im öffentlichen Raum sichtbar: Um diesen ambivalenten Status des Islam in Österreich ging es am Mittwoch beim Dialogforum Integration und Migration der Donau-Uni Krems in Gmunden. Der Religionswissenschafter Ernst Fürlinger hat die vergangen vier Jahre zu Konflikten rund um Moscheebau geforscht.

"Wiener Zeitung": Der Islam ist seit 1912 in Österreich anerkannt. Wird diese lange Tradition im öffentlichen Raum ausreichend widergespiegelt?Ernst Fürlinger: Es gibt ein Spannungsverhältnis zwischen der - historisch bedingten - guten religionsrechtlichen Verankerung des Islam und der weniger gut ausgeprägten sozialen, gesellschaftlichen und politischen Anerkennung der Muslime als religiöse Minderheit. Dieses Defizit wird gerade in den Konflikten rund um die Errichtung von repräsentativen Moscheebauten sichtbar. Es ist paradox: In Deutschland kämpfen die muslimischen Organisationen um die gesetzliche Anerkennung, Konflikte rund um Moscheebauten sind dort aber weniger massiv.

In Österreich existieren nur sehr wenige Moscheen mit Minarett.

Es gibt vier Moscheen mit von außen sichtbaren Minaretten: Das islamische Zentrum in Wien aus 1979, das 2006 errichtete Minarett in Telfs, das nach einem Konflikt von 20 auf 15 Meter verkürzt wurde. In Saalfelden gab es nur deshalb keine öffentliche Debatte, weil die Muslime dort zuerst einen Gebetsraum im Zentrum hatten und als Zugeständnis für ihren Umzug ins Industriegebiet ein auf acht Meter Höhe beschränktes Minarett bauen durften. Die Begrenzung hat keine rechtliche Basis. Kaum bekannt ist auch das hölzerne Minarett beim Integrationshaus der Caritas in Innsbruck. Schließlich gibt es die beiden von außen kaum sichtbaren Minarette in Bad Vöslau.

In Bad Vöslau haben Sie den Konflikt um die Errichtung erforscht. Geht es um das Minarett als baulich fremdartiges Element?

Es wäre vereinfachend, würde man die Konflikte rund um Moschee- und Minarettbau auf die Frage der islamischen Symbole im öffentlichen Raum zuspitzen. Es gibt auch intensive gesellschaftliche und politische Konflikte um muslimische Bauten, die von außen neutral aussehen.

Was sind die Ursachen für derartige Konflikte?

Es gibt drei verschiedene Faktoren. Einer ist in Österreich die Stärke rechtspopulistischer Parteien, die - wie auch in anderen westeuropäischen Ländern - seit Beginn der 1990er Jahre das Thema Islam als politische Mobilisierungsstrategie entdeckt haben. Ein anderer Faktor ist die Idee des Nationalstaats, die von der Vorstellung einer kulturellen, sprachlichen und religiösen Einheit lebt. Selbst in der heutigen stark säkularisierten Gesellschaft gibt es gegenüber Muslimen einen Reflex der kulturellen Verteidigung. Das betrifft nicht nur muslimische Bauten, wie man in der Ablehnung der buddhistischen Stupa in Gföhl gesehen hat. Der wichtigste Faktor ist das extrem negative Islambild, das seit den 1980ern vorherrscht und sich nach 9/11 im "Krieg gegen den Terror" verstärkt hat, der bis zu Obamas Präsidentschaft andauerte. In diese Zeit fallen die Moscheekonflikte in Österreich.

Die österreichische Politik ist nicht unschuldig. In Kärnten und in Vorarlberg hat man über die Bau- und Raumordnung den Bau von Minaretten massiv behindert.

Die Diskussionen in Kärnten und Vorarlberg, die zu den Novellen im Frühling 2008 führten, sind ein klassisches Beispiel für eine ethnopolitische Strategie: Die Politik macht sich ethnische Faktoren zu Nutze, um zu mobilisieren. In Kärnten war das BZÖ unter Jörg Haider nach der Spaltung von der FPÖ in einer existenziellen Krise und wollte anhand des Moscheebau-Themas zeigen, dass es der bessere Verteidiger der kulturellen und religiösen Integrität der Nation ist als die FPÖ. Die Strategie ist aufgegangen.

Auf der anderen Seite hat in Vorarlberg die Regierungspartei ÖVP ein in seiner Wirkung verfassungswidriges Gesetz betrieben.

In beiden Fällen hat der Bund der Novellierung zugestimmt. In Kärnten hat sogar ein Mitarbeiter des Landesverfassungsdienstes im Bauausschuss auf die Verfassungswidrigkeit hingewiesen. Man war sich der Verletzung der Verfassung komplett bewusst, beauftragte aber den Verfassungsdienst, eine Formulierung zu finden, die nicht von vornherein anfechtbar ist. Was die "staatstragenden" Parteien betrifft, so spricht man politikwissenschaftlich oft von Interaktionseffekten: In einer Koalition gewinnt der rechtsradikale Partner überproportional an Einfluss, indem er bestimmte Themen auf die Agenda setzen kann. Das ist in der ÖVP-FPÖ-Koalition in Vorarlberg ebenso passiert, wie 2011 in Niederösterreich, wo die Bauordnung auf Wunsch der FPÖ und mit ÖVP-Stimmen geändert wurde.

Müsste die Politik bei Konflikten um den Moscheebau nicht eher deeskalierend eingreifen?

Wenn man Politik der Gefühle betreibt und auf Stimmungen der Wähler reagiert, dann ist in dem tendenziell stark islamfeindlichen Klima klar, welche Politik daraus abgeleitet wird. Es gibt in jüngerer Zeit aber schon Ansätze, Fragen der Menschen- und Grundrechte mitzubedenken. Etwa versucht man bei den jüngsten Moscheebauprojekten in Vorarlberg zu versachlichen und eine Instrumentalisierung durch die Landespolitik zu verhindern. Der Preis dafür ist, dass die muslimischen Organisationen von vornherein auf ein Minarett verzichten, weil vollkommen klar ist, dass das Symbol zu brisant ist.

Kann nicht positive Emotionalisierung rund um einen Moscheekonflikt auch integrierend wirken und die Menschen zusammenführen?

Konflikte um Moscheebauprojekte können eine integrative Wirkung haben. Muslimische Communitys müssen sich der Öffentlichkeit präsentieren, mit Behörden und Medien zusammenarbeiten. Sie dürfen aber nicht alleine gelassen werden, die Gemeinde muss dahinter stehen.

Zur Person



ErnstFürlinger

Der habilitierte Religionswissenschafter arbeitet am Zentrum für Religion und Globalisierung an der Donau Uni Krems. 2009 bis 2012 forschte er gefördert vom FWF zu Moscheebaukonflikten. Im September erscheint Fürlingers Buch "Moscheebaukonflikte in Österreich" im Verlag V&R Unipress.