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Der Umgang mit dem Terror

Von David Ignatius

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Nach dem Bombenattentat von Boston geht es nicht nur darum, die Täter zu fassen, sondern auch darum, wie die Öffentlichkeit darauf reagiert.


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"Nichts gebrochen, außer meinem Herzen", lautet die Betreffzeile eines Mails, das ein Läufer des Boston-Marathons nach dem Bombenanschlag an seine Freunde schickte. Jeder US-Bürger spürte den Schock.

Die Bomben waren einfach und leicht zu kopieren. Die US-Geheimdienste haben vor dem Marathon keinerlei Drohungen gegen Boston oder die Veranstaltung aufgefangen und auch keinen Terroristen-Klatsch danach. Das schließt eine Verwicklung der Al-Kaida nicht gänzlich aus, aber dieser Anschlag hat nichts mit vergangenen Anschlägen gemeinsam. Die US-Behörden können bisher über die Täter nur Vermutungen anstellen. Es sieht aber mehr nach dem Werk eines Einzelnen oder einer kleinen Gruppe aus als nach einem größeren Terrornetzwerk. Terroranschläge, die diesem Muster entsprechen, gab es 1995 in Oklahoma City, 1996 bei den Olympischen Spielen in Atlanta und 2011 in Spokane.

Wie nach 9/11 ist die wirkungsvollste Terrorabwehrkraft die Öffentlichkeit. Laut Behörden ist die wichtigste Lektion die einfache Regel: Siehst du was, sage was. Diese öffentliche Wachsamkeit ist die wirksamste Abwehr barbarischer Anschläge, die leicht zu organisieren und schwer aufzudecken sind. "Die Anschläge von Boston erinnern wieder daran, dass Terror immer geschehen kann, ganz nah und zufällig", sagt Hank Crumpton, ein früherer führender Terrorabwehrspezialist der CIA und Autor von "The Art of Intelligence".

Die ausgeklügelten Terrorabwehrsysteme, die die USA seit 2001 aufgebaut haben, sind bis zu einem gewissen Grad hilfreich. Überwachungssysteme waren über den gesamten Marathonverlauf verteilt, ganz besonders im Zielbereich, und jeder verfügbare Vollzugsbeamte war im Einsatz. Aber das konnte den Anschlag nicht verhindern, der zeigt, dass Überwachungstechnologie allein kein Allheilmittel ist und das Sammeln von Geheimdienstinformationen, ob zu Hause oder im Ausland, Grenzen hat. Terroristen stellen es heute raffinierter an, nicht erwischt zu werden. Sie schaffen es länger, ihre Kommunikation vorbei am Überwachungssystem zu führen, wie Osama bin Ladens jahrelanges Untertauchen in einer pakistanischen Militärstadt zeigt. Und sie haben gelernt, Überwachungskameras zu überlisten. "Humint" (Human Intelligence), der Fachausdruck für Geheimdienstinformationen über reale Menschen, bleibt die größte Herausforderung. Es war schwierig genug, in die Köpfe der Gegner zu schauen, als es um eine Organisation ging, die hunderte Menschen umfasste, wie der Kern der Al-Kaida, aber es wird noch schwieriger, wenn es um kleine dezentralisierte Gruppen oder einzelne Personen geht.

Das vergangene Jahrzehnt hat die USA gelehrt, dass die destabilisierendste Folge der Terroranschläge vom 11. September 2001 nicht der Angriff selbst war, sondern die Art, wie darauf reagiert wurde. Terrorismus ist ein Teil des modernen Lebens geworden. In Boston hat er aber keinen Sieg gefeiert.

Übersetzung: Redaktion