Die Wiener FPÖ möchte mit rechtsradikalem Gedankengut nichts mehr zu tun haben, hat aber kein Mittel gegen braune Sager.
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Wien. Mit Norbert Hofer gelang der FPÖ, was nicht einmal der blaue Messias Jörg Haider schaffte. Die rechtspopulistische Partei hat erfolgreich einen großen Teil der gesellschaftlichen Mitte angesprochen. Knapp 50 Prozent wählten Hofer bei der Präsidentschaftswahl im Mai. Ein österreichweit bislang unerreichtes Rekordergebnis für die Partei. Vorausgegangen war dem Ergebnis eine Kampagne bei der sich die Blauen betont freundlich und für viele Wähler "sympathisch" präsentierten. Anstatt üblicher aggressiver Sprüche und rechtsradikaler Sager ein lächelnder Kandidat, der seine stramm rechte Gesinnung zumeist für sich behielt.
Doch bereits am Wahlabend, noch vor der Verkündung des Wahlergebnisses, platzte die blaue Seifenblase, die wochenlang mit großer Anstrengung aufgeblasen wurde. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache kündigte an, das Ergebnis anfechten zu wollen, sofern Hofers Konkurrent Alexander Van der Bellen nach Auszählung aller Stimmen vorne liegen sollte. Genauso wie andere hochrangige Funktionäre sprach er von Manipulation und Wahlfälschung. Der blaue Kuschelkurs war mit einem Schlag vorbei.
Kurze Zeit später trat auch der rechte Rand der FPÖ wieder in Erscheinung. Auslöser war die Umbenennung einer Schule in Landstraße. Sie sollte nach Friedrich Zawrel benannt werden, einem Überlebenden des Kinder-Euthanasie-Programms während der Nazi-Zeit. Zwei Bezirksräte der FPÖ-Landstraße legten ihr Veto ein und nannten Zawrel einen Verbrecher. Das war sogar der "Kronen Zeitung" zu viel: "Wiener FPÖ hetzt gegen NS-Opfer Friedrich Zawrel", titelte das Blatt.
Damit ist die Partei endgültig wieder in alte Muster zurückgefallen. Doch welches Kalkül steckt dahinter? Was hat die FPÖ davon, sich wieder als ewiggestrig zu positionieren, noch dazu, wo das gemäßigte Auftreten im Wahlkampf knapp die Hälfte aller abgegebenen Stimmen brachte?
"Profitiert haben wir nicht davon", sagt Wiens FPÖ-Landesparteisekretär Anton Mahdalik zur Causa Friedrich Zawrel. Im Gegenteil: Die FPÖ sei auf den rechten Rand nicht mehr angewiesen. "Mit solchen Gedanken wollen wir überhaupt nichts mehr zu tun haben. Wem das nicht passt, der soll von der Wahl zu Hause bleiben." Die FPÖ sei selbstverständlich dafür, dass die Schule nach Friedrich Zawrel umbenannt wird.
Rechter Rand ist zahlenmäßig keine relevante Gruppe
Auch der Rechtsextremismus-Experte Bernhard Weidinger sagt, dass Äußerungen wie gegen Zawrel wahltaktisch für die FPÖ keinen Sinn machen. "Der rechte Rand wählt sowieso die FPÖ. Er ist zahlenmäßig auch keine relevante Gruppe, gemessen an jener Gruppe, die man mit solchen Signalen irritiert." Ob es die Partei in Zukunft schaffen wird, ohne rechtsradikale Sager auszukommen, bezweifelt Weidinger. "Es ist zwar die Absicht der Parteiführung, dass es nicht passiert. Gleichzeitig hat die FPÖ unter Strache eine Weltanschauung, wo solche Berührungspunkte mit dem rechten Rand einfach zwangsläufig sind." Weit rechts stehende Funktionäre gebe es sowohl auf der oberen als auch auf der unteren Ebene. Im Gegensatz zur oberen Ebene würde man aber in der unteren Ebene nicht wissen, was man nach außen kommunizieren könne und was nicht.
Dabei wäre es für die FPÖ gerade in Wien notwendig, diese Sager zu unterbinden. Dass der Weg zur goldenen Mitte in der international geprägten Hauptstadt besonders schwierig ist, zeigte das Stimmverhalten der Wiener bei der Präsidentschaftswahl. Mit 36,7 Prozent fuhr die FPÖ hier ihr mit Abstand schlechtestes Ergebnis ein. In den Bezirken wählte nur Simmering mehrheitlich für Hofer. Ein Dämpfer für die erfolgsverwöhnte, mächtige Wiener Landespartei.
In den blauen Reihen zeigt man sich hinter vorgehaltener Hand ratlos. Riesensprünge, wie in der Vergangenheit seien in Wien nicht mehr zu machen, erklärt Mahdalik. Besonders schwer sei es in den Bezirken 4 bis 9. "Da kommen wir nicht heran", sagt er. 36 Prozent seien in Wien möglich. "Dann ist der Plafond erreicht." Bei den Wien-Wahlen erreichte die FPÖ zuletzt 30,79 Prozent der Stimmen.
Um in Wien künftig nicht zu stagnieren, wolle man neben dem kleinen Mann auch verstärkt die Bürgerlichen ansprechen, sagt Mahdalik. Doch wie soll der Spagat zwischen Bierzelt und Prosecco gelingen? Darüber werde man sich noch Gedanken machen, erklärt der Landesparteisekretär.
Durchblicken lässt Mahdalik, dass die Partei mehr auf die Themen Sicherheit, Verkehr und Stadtbildschutz setzen werde. Damit könne man durchaus bei beiden Wählergruppen punkten. Gefordert werden etwa eine U-Bahn-Zugangskontrolle mit Drehkreuzen, der Ausbau des Radwegenetzes (Mahdalik: "Jeder Autofahrer freut sich, wenn weniger Leute Auto fahren"), ein flächendeckendes Parkpickerl in Wien und ein Baustopp für Hochhäuser innerhalb des Gürtels. Der Hauptfokus der FPÖ werde aber weiterhin auf dem Ausländerthema, besonders dem Flüchtlingsthema liegen.
Dass die FPÖ auch auf das Bürgertum setzen will, überrascht Rechtsextremismus-Experten Weidinger nicht. Die FPÖ sei im Kern immer eine liberale Partei gewesen, die in Wirtschaftsfragen nicht für den kleinen Mann eingetreten ist. Im Wohnbereich stehe sie zum Beispiel immer auf der Seite der Hausbesitzer und der Vermieter.
Mit dem Ausländerthema könne die Partei den Spagat zwischen den beiden Wählergruppen aber problemlos meistern. Schließlich gelinge es der FPÖ damit, eine Wahrnehmung zu schaffen, in der der Gegner des kleinen Mannes nicht der Wirtschaftstreibende ist, sondern der Ausländer. "Die zentrale Achse ist nicht das Obere und das Untere, sondern das Eigene und das Fremde. Das bezieht die Partei auf alle Politikbereiche. Alle sozialen Probleme werden ethnisiert."
"Die Flüchtlinge werden uns nicht ausgehen"
Für den kleinen Mann ist klar: "Der Ausländer nimmt mir den Job weg, bekommt die ganzen Sozialleistungen und lebt in den Gemeindewohnungen, die mir zustehen. Der Ausländer ist mein eigentlicher Konkurrent und den schafft mir die FPÖ vom Hals und sonst niemand", erklärt Weidinger. Die Flüchtlingskrise habe es der Partei noch leichter gemacht, diese Wahrnehmung zu schaffen.
Wenn es nach den Blauen geht, werde man auch weiterhin auf diese Strategie setzen. Angst, dass das Flüchtlingsthema wegbrechen könnte, weil nach dem Türkei-Abkommen der EU und den aufgestellten Grenzzäunen weniger Flüchtlinge ins Land kommen, hat man nicht. Wiener FPÖ-Klubobmann Dominik Nepp: "Die Flüchtlinge werden uns nicht ausgehen. Wenn sie nicht aus Syrien kommen, dann kommen sie aus Nordafrika."