Roderic Land sieht die Lage der Afroamerikaner in den heutigen USA noch immer kritisch. | Die Präsidentschaft von Barack Obama habe wenig geändert.
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Wien. Was in Hollywood-Filmen schon länger denkbar war, trat in den USA vor zwei Jahren auch tatsächlich ein: Ein Afroamerikaner wurde erstmals US-Präsident. "Einige denken jetzt, wir sind dort angekommen, wo wir immer hinwollten", erzählt der Soziologe Roderic Land von der Universität von Utah. Doch der Afroamerikaner widerspricht: "Wenn man sich die Diskrepanz zwischen Schwarzen und Weißen ansieht - etwa im Hinblick auf die Arbeitslosenzahlen oder bei den Gefängnisinsassen -, dann hat sich nicht viel geändert, seit Obama Präsident geworden ist."
Roderic Land besteht darauf, dass Rasse und Rassismus immer noch Konflikte in den USA verursachen. "Es gibt nach wie vor eine Diskriminierung der schwarzen Bevölkerung. Einige Schwarze sind in die Mittel- oder Oberschicht aufgestiegen. Aber überproportional viele gehören noch immer der unteren Schicht an."
Das Pro-Kopf-Einkommen der afroamerikanischen Bevölkerung beträgt 62 Prozent des mittleren Einkommens eines nicht-hispanischen Weißen. Schwarze Kinder wachsen überdurchschnittlich häufig in unvollständigen Familien auf, die Männer geraten überproportional häufig in Haft: Rund acht Prozent der afroamerikanischen US-Bürger sind permanent inhaftiert.
Einen Grund für die anhaltenden Probleme der afroamerikanischen Community, gesellschaftlich aufzusteigen, sieht Roderic Land beim Schulsystem. Angehörige der sozialen Unterschicht können nur schlechtere Schulen besuchen, in denen die Schüler inadäquat auf das spätere Leben vorbereitet werden. Land sieht hier nicht nur die Gesellschaft gefordert, sondern auch den Staat und öffentliche Institutionen. "Das öffentliche Schulsystem basiert auf Steuern. Dennoch kann die arme Bevölkerung nicht so gute Schulen besuchen."
Das Schulsystem in den USA unterscheidet sich erheblich von dem Österreichs. Was Kinder aus sozial ärmeren Verhältnissen in den USA eher zugute kommt, ist, dass alle Schulen Ganztagsschulen sind. Die Schulpolitik divergiert teils stark, je nach Bundesstaat. Roderic Land kritisiert, dass das Schulsystem stark auf Individualismus, Wettbewerb und Konkurrenzdenken aufgebaut ist und weniger kollektives Denken unterstützt. Viele Angehörige der Unterschicht scheiterten am "Amerikanischen Traum", und dazu gehören eben auch viele Afroamerikaner. Nur Einzelne, die den Aufstieg schaffen, helfen nachher ihrer Community.
"Vorurteile sind noch immer da", betont Roderic Land. Schließlich könne man die Geschichte der USA nicht einfach leugnen. Doch in der Regierung wolle man über solche Themen nicht reden.
Wenig Interaktion zwischen Schwarzen und Weißen
Vollständig abgeschafft wurde die Sklaverei in den USA im Jahr 1865. Doch die rechtliche Gleichstellung erfolgte nur zögerlich und die Rassentrennung wurde nicht aufgehoben. Das rief in den 50er Jahren schließlich prominente afroamerikanische Bürgerrechtler auf den Plan.
"Martin Luther King und Malcom X hatten großen Einfluss. Sie gaben den Schwarzen Hoffnung und Stolz", erzählt Land. Dabei waren sich die beiden alles andere als einig. Malcolm X kritisierte Kings Ansatz der Gewaltlosigkeit. Aus seiner Sicht konnten die Schwarzen sehr wohl mit Gewalt vorgehen, vor allem wenn sie der Ku-Klux-Klan angriff. Die Weißen hätten in 400 Jahren gezeigt, dass sie von sich aus zu keinen Kompromissen bereit seien.
Roderic Land ist überzeugt: "Ohne Malcolm X hätte Martin Luther King nicht diese Macht gehabt. Die USA haben gesagt: Wir wollen keinen Malcolm X, also unterstützen wir Martin Luther King mit seinem gewaltlosen Zugang." Interessanterweise hätten sich beide Persönlichkeiten am Ende gewandelt: "King war noch immer gegen Gewalt, aber in seiner Rhetorik aggressiver, während Malcolm X die Rolle, die Weiße bei der Überwindung des Rassismus spielen, anerkannte."
Nachdem die Rassentrennung schließlich aufgehoben wurde, fehle noch immer die Interaktion zwischen Schwarzen und Weißen, meint Land. Auch die heutige Präsenz von Schwarzen in der Popkultur sieht Land kritisch: "Hip-Hop-Musik zählt zum größten Export der USA weltweit." Entstanden ist sie in den schwarzen Ghettos der USA. Ihre Wurzeln hat Hip Hop in der schwarzen Funk- und Soul-Musik. Doch die brutalen und hyper-sexualisierten Bilder festigten eher schwarze Stereotype. Das habe Einfluss auf die Art und Weise, wie Schwarze wahrgenommen werden. Gerade im Pop-Bereich gelte eben: "Violence and sex sell!"
Positiv bei der Überwindung von Rassismus sieht Land heute die Kirchen und deren Engagement, wo sich Schwarze wie Weiße einbringen. Für hilfreich hält er auch "affirmative actions" - spezielle in den USA entwickelte Maßnahmen, um soziale Diskriminierung zu umgehen und für sozial benachteiligte Schichten den Zugang zu den Unis zu erleichtern. Somit hängt das Gelingen des friedlichen Zusammenlebens auch in den USA großteils von der Lösung sozialer Probleme ab.