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Der Unmut der Spediteure

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Politik

Die deutschen Regeln zum Mindestlohn bringen polnische Transportunternehmen unter Druck.


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Brüssel. Mit Straßenblockaden an den Grenzen fing die Woche an, und mit einer länderübergreifenden Kundgebung ging es wenige Tage später weiter. Nach ihren Protesten an einigen Übergängen zu Deutschland riefen die polnischen Lkw-Fahrer zu einer ähnlichen Aktion vor dem EU-Parlament in Brüssel auf. Dort wurde nämlich gestern, Mittwoch, über Mindestlöhne im Transportsektor debattiert - und darüber, ob das entsprechende deutsche Gesetz mit EU-Recht vereinbar sei. Die Regeln lösen aber den Unmut der Spediteure aus, und zwar nicht nur der polnischen. Kollegen aus Ungarn, Rumänien, Tschechien und der Slowakei schlossen sich der Kundgebung an.

Denn die Transportunternehmen sehen die Mindestlöhne in Deutschland und Frankreich, die mit 8,50 und 9,61 Euro festgelegt wurden, als existenzgefährdend an. Der Kostenanstieg sei erdrückend, erklärte Jan Buczek, der Leiter des Protestkomitees des Interessenverbandes. Die Firmen müssten ihren Fahrern diesen Lohn für die Zeit zahlen, in der sie in Deutschland beispielsweise unterwegs sind, auch wenn es nur eine Transitroute ist. Beklagt wurde ebenfalls der Mehraufwand durch Kontroll- und Dokumentationspflichten.

Die Regeln gelten seit Jahresanfang, für alle Branchen und Regionen. Doch hat kurz danach die Regierung in Berlin im Streit mit Warschau eingelenkt: Die Vorschriften zum Mindestlohn für ausländische Lkw-Fahrer wurden im reinen Transitverkehr ausgesetzt. Arbeitsministerin Andrea Nahles wollte damit ein "Zeichen guter Nachbarschaft" setzen. Die Bedenken der Spediteure konnte sie damit allerdings nicht völlig zerstreuen.

Diese machen nun nicht nur auf ihre Regierungen Druck, sondern fordern auch das Engagement der EU-Institutionen sowie Gerichte. Die EU-Kommission prüft derzeit die Beschwerden und soll untersuchen, ob das deutsche Gesetz mit EU-Regelungen vereinbar ist. Berlin geht davon aus, dass dies der Fall ist. Eine Stellungnahme aus Brüssel soll es noch vor dem Sommer geben.

Beschwerden auch aus Österreich

In der Zwischenzeit wird sich aber auch das deutsche Verfassungsgericht mit der Angelegenheit befassen müssen. Vor wenigen Wochen hatten die Spediteure in Karlsruhe geklagt, weil sie die Vorschriften trotz der Aussetzung bei Transitfahrten für ausländische Fahrer für nicht anwendbar und verfassungswidrig halten. Sie argumentieren damit, dass sie durch die steigenden Kosten Nachteile im Wettbewerb mit ihren deutschen sowie anderen Konkurrenten hätten und warnen vor der Gefährdung zehntausender Arbeitsplätze.

Die Beschwerdeführer kommen aber nicht nur aus Polen und Ungarn, sondern ebenso aus Österreich. Nach Angaben der Austria Presseagentur geht es den österreichischen Firmen jedoch nicht um das Problem der Entlohnung. Diese würde sowieso über den deutschen Anforderungen liegen. Allerdings mache den Transporteuren die Auftraggeber-Haftung bei der Vergabe von Pflichten an Subunternehmen Sorgen. Wenn diese nämlich weniger als den minimalen Stundenlohn zahlen, soll der Auftraggeber dafür zur Verantwortung gezogen werden. Wie die Polen finden die Österreicher, dass für die Arbeitsverhältnisse das Recht jenes Staates anzuwenden sei, von dem aus die Speditionen ihrer Tätigkeit nachgehen.