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Der unruhige Stern mit den Flecken

Von Roland Knauer

Wissen

Wissenschaft uneins über Einfluss der Sonnen-Aktivität auf die Temperatur. | Geringe Aktivität kühlt nicht immer ab. | Berlin. Auch wenn die Sonnen-Oberfläche in der Regel ruhig und gleichmäßig aussieht, brodelt es in ihrem Inneren gewaltig. Wenn dann dunkle Flecken auf der sonst gleißend hellen Sonnenscheibe auftauchen, ahnen selbst Laien etwas von den gewaltigen Kräften, die dort zutage treten.


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Sonnenflecken können größer als die Erde sein. Mitunter lösen sie gewaltige Eruptionen aus, die auch die Erde treffen und unvorstellbare Schäden anrichten können. Grund genug für den Sonnenphysiker Achim Gandorfer vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Katlenburg-Lindau, sich die Sonnenflecken genau anzuschauen.

Ihr Ursprung liegt unter der Sonnen-Oberfläche: Im Zentrum unseres Zentralgestirns verschmelzen Wasserstoff-Atome und setzen dabei riesige Energiemengen frei. Heißes Gas transportiert diese Energie zur Oberfläche, die als Sonnenstrahlung in den Weltraum wandert und die Erde mit Licht und Wärme versorgt. Dadurch kühlt das Gas ab und sinkt in der Folge wieder in das Innere zurück.

Auf diese Weise entstehen riesige Wirbel aus aufsteigendem heißem und absinkendem kühlerem Gas. Die Konvektionen halten die Oberfläche auf 6000 Grad Celsius. Zudem erzeugen sie gigantische Magnetfelder. Die Rotation der Sonne wickelt diese langsam auf: "Wie Hula-Hoop-Reifen innerhalb der Oberfläche umgeben die Magnetfelder den Äquator des Sterns", erklärt Gandorfer. Sie werden stärker, bis schließlich Magnetfeld-Reifen aus den Schleifen wachsen, die sich ähnlich wie die Henkel einer Tasse nach oben wölben und aus der Sonnen-Oberfläche herausragen.

Magnetische Schlaufen

Die magnetischen Schlaufen behindern jedoch den Transport von Energie an die Sonnen-Oberfläche. Daher kühlt die Region um die Henkel auf 4500 Grad Celsius ab. Diese kälteren Stellen sind genau die Sonnenflecken, die Galileo Galilei entdeckt hat. In der Regel fallen die Schlaufen nach einigen Wochen wieder in sich zusammen, während sich an anderen Stellen wieder neue bilden.

Gibt es zu viele Schlaufen, entsteht eine Art "magnetischer Kurzschluss": Alle Schlaufen fallen in sich zusammen und aus dem Magnetfeldreifen entsteht wieder ein normales Magnetfeld mit je einem Pol im Norden und im Süden der Sonne. Dann ist die Sonne wieder fleckenfrei und alles ist wieder auf Anfang gestellt: Die Rotation wickelt die Magnetfelder langsam auf, bis wieder die ersten Sonnenflecken auftauchen, und so fort.

In elf Jahren durchläuft die Sonne einen solchen Zyklus, der auch auf der Erde wirkt. Wie genau der Prozess das Klima beeinflusst, ist jedoch ein Streitpunkt der Forscher. Ursprünglich hatten Physiker vermutet, dass viele Sonnenflecken, die kühler als der Rest der Oberfläche sind, die Sonnenstrahlung verringern - wodurch es kühler auf der Erde würde. "Messungen im Weltraum zeigten aber dann das Gegenteil", sagt Gandorfer: Demnach erwärmen viele Sonnenflecken die Erde und kühlt eine geringen Sonnen-Aktivität die Erde ab.

Andere Lichtwellen

Wenn die Sonne sehr aktiv ist - also sehr viele Sonnenflecken hat -, strahlt sie rund 0,1 Prozent mehr Energie ab als in den ruhigen Zeiten ohne die magnetischen Henkel. Neben den wenigen, großen Schlaufen gibt es nämlich noch viele kleinere magnetische Strukturen, die Löcher mit einem Durchmesser von rund 100 Kilometern in die Sonnen-Oberfläche reißen. Durch diese Löcher öffnet sich eine tiefere, heißere Schicht der Sonne und mehr Sonnenstrahlung erreicht die Erde.

Der Anstieg verteilt sich unterschiedlich auf die Licht-Wellenlängen: Während sich das langwellige, rote Licht kaum verändert, nimmt die kurzwellige Strahlung im Ultraviolett-Bereich um zehn Prozent zu. Das UV-Licht bleibt in der Atmosphäre in der Ozonschicht der unteren Stratosphäre stecken und heizt die Erde und damit das Klima an der Erd-Oberfläche auf.

Kleine Eiszeit

Umgekehrt fielen 1645 bis 1715, als die Sonnenflecken weitgehend ausblieben und die kleinen magnetischen Strukturen verschwanden, die Temperaturen auf der Erde deutlich ab - die sogenannte kleine Eiszeit erreichte ihren Höhepunkt.

Eine geringe Sonnenaktivität kühlt die Erde allerdings nicht immer ab, zeigt eine weitere Studie, deren Autoren von 2004 bis 2007 das Gegenteil beobachtet haben wollen. Im Untersuchungszeitraum habe die Aktivität des Zentralgestirns zwar abgenommen, aber es dürfte dennoch zur Erderwärmung beigetragen haben, berichtet ein Team um die Astronomin Joanna Haigh vom Imperial College in London in "Nature". Messungen der spektralen Zusammensetzung des Sonnenlichts hätten ergeben, dass sich die Energiemenge im sichtbaren Wellenlängen-Bereich auf der Erde zunehmend erhöht, je ruhiger es auf der Sonne wird. Wodurch sich die Erde erwärmt.

Abfallender Zyklus

Der Untersuchungszeitraum deckt die abfallende Phase des gegenwärtigen Sonnen-Zyklus ab, nach seinem Höhepunkt 2001 und vor dem Tiefpunkt 2009. Entgegen den Erwartungen ist die Sonnenenergie in der Troposphäre - das ist die unterste Schicht der Atmosphäre - im Jahr 2007 gegenüber 2004 trotz absinkender Sonnenaktivität gestiegen. Laut Haigh könnte sich entweder der gegenwärtige Sonnenzyklus von vorherigen unterscheiden, oder aber die Auswirkungen der Sonnenaktivität auf das Erdklima sind anders als angenommen.

Auf einen anderen Zusammenhang zwischen Sonne und Klima verweist Sami Solanki vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung: Seit den 1940er Jahren erreicht die Aktivität der Sonne zwar sehr hohe Werte. Seit 1980 aber habe das Verfeuern fossiler Brennstoffe für weitere, noch stärkere Wärmeschübe gesorgt.