Das Informationsbedürfnis der Ärzte und Pfleger ist größer als die Zahl der Antworten. An diesen wird noch gearbeitet. Doch wie muss die interne Kommunikation in Spitälern in Krisenzeiten überhaupt funktionieren? Eine Nachfrage.
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Das Personal in den heimischen Krankenhäusern muss sich in diesen und den kommenden Wochen gleich mit zwei Unbekannten auseinandersetzen. Da ist zum einen das neuartige Coronavirus Sars-CoV-2, zu dem noch sehr wenig gesichertes Wissen vorhanden ist, zum anderen ist die Situation einer derartigen Epidemie völlig fremd.
Das führt notwendigerweise dazu, dass die Beschäftigten, die Ärztinnen und Pfleger, vor für sie völlig neue Situationen gestellt werden. Umso größer sind daher aktuell die Unsicherheit und das Informationsbedürfnis des Personals. Und hier gibt es offensichtlich Verbesserungspotenzial, wie aus Ärztekreisen, aber auch aus dem Sozial- und Pflegebereich, zu vernehmen ist.
Das Problem kann zweierlei Gestalt annehmen: Es kann zu wenig, es kann aber auch zu viel Information geben. Gegenwärtig werden auf der ganzen Welt unzählige Publikationen zu Covid-19 veröffentlicht. Viele davon sind nicht sehr relevant oder werden in Bälde falsifiziert. Manche sind wichtig. Der deutsche Virologe Hendrik Streeck berichtete beispielsweise, dass rund ein Drittel der von seinem Team befragten Covid-Patienten einen temporären Verlust des Geruchssinns vernahm. Das ist eine wesentliche Erkenntnis. Diese Information sollte also so schnell wie möglich bei allen Ärztinnen landen. Ihnen aber jeden Tag dutzende Studien weiterzuleiten, wäre wenig sinnvoll.
Es gibt natürlich immer eine Hol- und eine Bringschuld. Bei rund 130 hospitalisierten Covid-Patienten (Stand: Montag, 16 Uhr) ist es den Medizinern auch zumutbar, sich aktiv zu informieren, wenn das Unbekannte im dienstlichen Alltag eine Frage stellt. Doch das ist eben mit einem Zeitaufwand verbunden. Wenn die Belastung in den Spitälern deutlich zunimmt, dann wird das Einlösen dieser Holschuld schwieriger. Dazu kommt: Ein Fehler kann gravierende Folgen haben, wenn es innerhalb des Spitals zu einer Verbreitung des Virus kommt.
Deshalb ist es auch wichtig, dass Standardprotokolle genau eingehalten werden. Doch an diesen fehlt es noch, sie sind teilweise noch in Erarbeitung, heißt es vom Gesundheitsministerium. Die Ärztekammer ihrerseits informiert mittels Newsletter und auch über ihre Homepage. Und auch einzelne Spitäler haben auf den erhöhten Informationsbedarf der Belegschaft reagiert. Das AKH Wien, das größte Krankenhaus in Österreich, hat eine Hotline eingerichtet, zudem wird via Intranet mit den Bediensteten kommuniziert.
Dezentrale Spitalsstruktur-ein Vor- oder Nachteil?
"Es funktioniert relativ gut, aber es geht natürlich noch besser", sagt der oberste Personalvertreter des AKH, Wolfgang Hofer. Der Schichtbetrieb bedinge, dass nicht immer alle Kolleginnen und Kollegen auf demselben Wissensstand seien. "Unser Spitalsbetrieb ist sehr hierarchisch organisiert, das ist hier ein Vorteil", sagt Hofer. Das AKH hat auch selbst bereits Standards erarbeitet. Zusätzlich zu den medizinischen Fragen gibt es derzeit auch viele dienstrechtliche Fragen, die geklärt werden müssen. Auch dabei sind die Ärztekammern eingebunden.
Die interne Kommunikation im Gesundheitssystem erfolgt also von unterschiedlicher Stelle, und sie ist, so wie eben die Krankenhauslandschaft in Österreich beschaffen ist, sehr dezentral. Ob das in Zeiten einer Krise der richtige Ansatz ist? Sich die notwendigen Informationen von verschiedenen Stellen zu besorgen, ist aufwendig.
Der Gesundheitsökonom Ernest Pichlbauer sieht darin aber eher einen Vorteil. Die Dezentralität führe zu schnelleren Entscheidungswegen. "Man muss nicht so lange auf zentrale Vorgaben warten", sagt er. Das könne zwar dazu führen, dass an ein paar Standorten viel schiefgehe, aber die Struktur insgesamt selbst sei damit stabiler. "Jetzt machen sich an den Standorten 150 Personen Gedanken, nicht nur eine Person ganz oben", so Pichlbauer.
Ein zentrales Kommunikationsmanagement und gemeinsame Standards wären bei einer vorhandenen Notfallstruktur sinnvoll. Doch die gibt es nicht. In diesem Fall könnten Ärztinnen aus einer wenig betroffenen Region in eine stark betroffene versetzt werden, weil überall die Abläufe und Standards identisch wären. "Aber so eine Struktur haben wir nicht und deshalb wäre das sehr schwierig bis unmöglich", sagt Pichlbauer.
Wer begutachtet dievielen Covid-Studien?
Die Erkenntnisse der Wissenschaft, die derzeit auf Hochdruck versucht, das unbekannte Virus besser zu verstehen und die Behandlung der Patienten zu verbessern, sollten aber sehr wohl rasch und koordiniert bis zur untersten Ebene fundieren. Es gebe schon 1800 Publikationen, rechnet Pichlbauer vor, die müsse jemand lesen und aufbereiten. "Es wäre wichtig, dass es eine Stelle gibt, die den Überblick bewahrt."
Auch Thomas Szekeres, Präsident der Österreichischen Ärztekammer, kann dem viel abgewinnen. "Das wäre sinnvoll, dass man das österreichweit koordiniert. Das kann kein einzelner Experte machen, aber ein Gremium, das beim Obersten Sanitätsrat angesiedelt ist", schlägt er vor. Bis Montag Nachmittag war von diesem niemand erreichbar.