Handelsfirma wurde 1862 gegründet. | Aufstieg dank Kaffeerösterei und guter Ausbildung. | Ausstieg aus dem Lebensmittelhandel beginnt 1999. | Wien. Zu einer Zeit, als Schnäppchen noch Mezzien waren und die Jagd danach alles andere als salonfähig, war Österreichs Lebensmittelwelt klar aufgeteilt. Wer sich´s leisten konnte, ging zu seinem Meinl. Wer nicht, musste bei Hofer einkaufen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 15 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Nicht nur das hat sich gewandelt: Beim Harddiskonter, bei dem früher die Grundnahrungsmittel von der Palette verkauft wurden, stehen heute Barolo-Weine im Regal. Und vom einst noblen Feinkost-Imperium Meinl blieb nur ein einsamer Gourmettempel am Graben.
Jungen Generationen ist die Sentimentalität, die an den Namen und die Handelsmarke Meinl geknüpft ist, nur noch schwer verständlich zu machen. "Die Meinl-Kultur hatte ihren eigenen Zauber, eine einzigartige Atmosphäre, das war ein Stück altes Österreich", schildert ein einstiger Mitbewerber aus dem Lebensmittelhandel das Faszinosum.
Rigide Disziplin
Meinl hatte den Stellenwert einer hochwertigen Ausbildung früher als alle anderen erkannt: Zur Meinl-Schule gehörte neben dem überkorrekten Auftreten der Verkäufer auch eine intensive Schulung in Warenkunde - schon 1906 wurde in Wien-Hietzing nächst dem traditionsreichen Parkhotel Schönbrunn die Meinl Lehrlingsschule begründet.
Mitten in Gründerkrise
Gegründet wurde das Unternehmen 1862, der erste Geschäftsstandort war am Wiener Fleischmarkt. Der Aufstieg der Marke begann einige Jahre später - wie so oft mit mit einer Idee, die das Leben einfacher macht. Damals war es noch üblich, die grünen Kaffeebohnen selbst zuhause auf dem Herd zu rösten. Julius Meinl I., der Ururgroßvater des Bankers, experimentierte mit Kaffeemischungen und bot als einer der Ersten fertig gerösteten Kaffee an.
Schon damals hatte Meinl mit den Folgen einer Weltwirtschaftskrise zu kämpfen: Die Bankenkrise nach dem Boom der Gründerzeit (allein in Deutschland und Österreich wurden mehr als 60 Banken insolvent) führte zu Engpässen und machte Sparmaßnahmen nötig. Somit ließ die Eröffnung der ersten Filiale bis 1894 auf sich warten - diese war in der Wiener Neustiftgasse gelegen.
Danach expandierte der Firmengründer Julius I. freilich rasch. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts steht der Name "Julius Meinl" bereits für den größten Lebensmittelkonzern der Donaumonarchie. Verkauft werden neben Kaffee Lebensmittel von überdurchschnittlicher Qualität - Zielgruppe sind primär bürgerliche Kunden. Das Sortiment wird im Laufe der Zeit immer stärker ausgeweitet: Ab 1910 beschäftigt sich Meinl mit der Veredelung von Öl. 1912 werden in der neuen Zentrale neben der Kaffeerösterei eine Marmeladen- und eine Keksfabrik eingerichtet. Zeitweilig produziert das Unternehmen Senf, Essig, Zuckerl, Teigwaren und Likör. Parallel zur Ausweitung der Produktion wird auch das Filialnetz rasant vergrößert: 1901 hat die Firma in Österreich-Ungarn 16 Standorte, 1909 sind es schon 48.
Nach dem Zweiten Weltkrieg (siehe Story unten) bleiben fast nur die Geschäfte und Röstereien in Österreich übrig. Julius Meinl III. baut das durch den Eisernen Vorhang drastisch geschrumpfte Unternehmen in den 1950er und 60er Jahren wieder auf. Er expandiert mit der einzig verbliebenen italienischen Tochter und startet schon 1954 wieder mit Märkten in Deutschland.
Mit der Ostöffnung Ende der 1980er-Jahre kehrt Meinl wieder massiv in die früheren Märkte zurück. Im Heimatmarkt Österreich hingegen verliert der einstige Branchengrößte zusehends an Bedeutung.
Zwar reagiert das Unternehmen 1979 auf den Diskonttrend mit der Linie "Renner". Der Ausflug in das ungewohnte Segment passt aber nicht zum Qualitätsimage der Kette und bleibt deshalb ohne nachhaltigen Erfolg - ebenso ein zweiter Anlauf 1997 mit der Marke Jééé.
Erfolgreicher ist die großflächige Verbrauchermarktkette PamPam, die Meinl gemeinsam mit Löwa-Gründer Jenö Eisenberger 1973 aus dem Boden stampft. Sie umfasst in der Höchstphase rund 40 Standorte.
Ausstieg erfolgt 1999
Nach der Pleite des Konsum erwirbt Meinl 1995 71 von dessen Standorten und steigert seinen Marktanteil kurzfristig auf 5 Prozent. Nur vier Jahre später der große Schnitt: Meinl verkauft die österreichischen Einzelhandelsstandorte. Einen Teil erhält 1999 der Rewe-Konzern (Billa/Merkur), die übrigen gehen ein Jahr später an Spar, die daraus "Spar-Gourmet" macht.
Auch in Osteuropa veräußert Meinl das Filialnetz: 1999 erwirbt die belgische Delhaize die ungarischen Geschäfte. Die Standorte in Tschechien gehen 2005 an den niederländischen Ahold-Konzern.
Übrig bleiben nur die Kaffeerösterei, das Logo auf Produkten, die in Lizenz produziert werden, das Flaggschiff "Meinl am Graben" - sowie Erinnerungen an ein verlorenes Stück altösterreichischer Handelskultur.