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Der Untergang eines Sauriers

Von Rainer Mayerhofer

Politik

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Es ist noch nicht einmal ein Jahrzehnt her, da saßen zwei Politiker des auseinanderfallenden Jugoslawien beim Abendessen und skizzierten auf einer Serviette eine neue Landkarte. Seitdem haben zwei Bürgerkriege - in Bosnien-Herzegowina und im Kosovo - die politische Geografie des Balkans erheblich verändert, hunderttausende haben ihre Heimat verloren, Millionen wurden ins Elend gestürzt.

Franjo Tudjman, der eine der beiden Tischgenossen, ist vor knapp einem Jahr seinem langjährigen Krebsleiden erlegen. Die nachfolgenden Wahlen in Kroatien fegten sein korruptes Regime hinweg. Der zweite, Slobodan Milosevic, glaubte angesichts der zerstrittenen Opposition noch einmal hoch pokern zu können und sich mit vorgezogenen Neuwahlen seine Macht absichern zu können. So wie es jetzt, am Tag nach den Wahlen aussieht, hat sich der Politsaurier aber verspekuliert.

Im Vorfeld der Wahlen wurden bereits Befürchtungen geäußert, dass der Urnengang von umfassenden Manipulationen begleitet sein würde. Und es war nicht nur die Opposition, die davor warnte, sondern auch Kreise, die dem Regime in Belgrad sehr nahe stehen und zahlreiche Persönlichkeiten auf dem internationalen politischen Parkett. Dass es solche Manipulationen bei dem Wahlgang gab, scheint festzustehen. Die Unzufriedenheit der serbischen Bevölkerung mit ihrem Präsidenten und seiner politischen Clique, die internationale Isolierung des Landes und die damit verbundene drastische Verarmung der Menschen ist aber so groß geworden, dass nicht einmal die schlimmsten Wahlbetrügereien mehr den Sessel Milosevics retten konnten.

Die bisher einander widersprechenden vorliegenden Wahlresultate zeigen klar: Nur noch der engste Klüngel um den Präsidenten glaubt an einen relativen Wahlerfolg. Nicht einmal in seiner Geburtsstadt konnte sich der Präsident durchsetzen. Auch dort liegt der Herausforderer Vojislav Kostunica, den vor einem halben Jahr jenseits der serbischen Grenzen noch niemand kannte, klar vor ihm.

In seiner Abschlußwahlveranstaltung, bei der sich schon zeigte, dass er die Menschen seines Landes nicht mehr hinter sich hat, hat Milosevic der Opposition den totalen Krieg angesagt und sie als Erfüllungsgehilfen westlicher Regierungen, als Schmeichler, Schwächlinge und Verräter gebrandmarkt. Es waren die hilflosen Rundumschläge eines Ertrinkenden. Es bleibt abzuwarten, wie viele derer, die an den Schalthebeln der Macht saßen, nach dem Wahldebakel mit fliegenden Fahnen zu den Siegern überlaufen. Das Militär hat bereits angedeutet, loyal zum Sieger zu stehen, die serbisch-orthodoxe Kirche ist in ihrer überwältigenden Mehrheit auch auf Distanz gegangen. Jugoslawien hat die Chance, nach Europa zurückzukehren. Die Alternative wäre nur ein neuer blutiger Bürgerkrieg auf dem Balkan, der die bisherigen Auseinandersetzungen in den Schatten stellen würde.