Zum Hauptinhalt springen

Der Unternehmerlohn aus dem Geldmitteltopf

Von Alfred Abel

Wirtschaft

Teilnehmer berichten von turbulenten Diskussionen, heftig, emotionell bis aggressiv. Unternehmer sprechen von einem Eingriff in ihre Dispositionsfreiheit. Steuerberater finden ungewohnt | kräftigere Worte. Der Grund dafür: ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes, das die innerbetrieblichen Finanzierungen durcheinanderzubringen droht.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 26 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Der am Erkenntnis mitbeteiligte Richter mußte selbst plötzlich erfahren, daß höchstgerichtliche Urteile in der Praxis anders aufgefaßt werden, als am grünen Tisch. Und das Finanzministerium bemüht

sich jetzt um eine Problembegrenzung. Der Streitfall: das sogenannte 2-Konten-Modell.

Die "Wiener Zeitung" hat seinerzeit als erste darüber berichtet: Die in Unternehmerkreisen praktizierte Übung, Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben über unterschiedliche Bankkonten zu führen

· das 2-Konten-Modell · war vom Höchstgericht verworfen worden. Mit im Schußfeld des Höchstgerichts: die durch dieses Modell ausgenützte Steuerabsetzung der betrieblichen Kreditzinsen.

Per Saldo ein

einziges Konto

Das Modell bedeutet, daß die Betriebseinnahmen auf einem bestimmen Bankkonto des Betriebes gesammelt werden, während die Betriebsausgaben aus einem zweiten, dem Kreditkonto des Betriebes,

entnommen werden. Der Unternehmer tätigt nun seine Privatentnahmen, Privatanschaffungen und anderen privaten Finanzierungen vom Betriebseinnahmen-Konto, während das Kreditkonto mangels Zuflüssen

sukzessive anwächst.

Aus der Per-Saldo-Sicht kann das bedeuten, daß die Privatentnahmen aus dem Bankkredit finanziert werden (insbesondere dann, wenn die saldierten Bankkonten einen Debetsaldo ergeben sollten) und die

dafür anfallenden Zinsen steuerlich abgesetzt werden.

VwGH: Künstliche

Aufspaltung

So kann's auch nicht sein, sagte der Verwaltungsgerichtshof: "Mit dieser Methode werden betriebliche Zahlungsvorgänge vorübergehend und damit künstlich aufgespalten, um so die Anschaffungskosten

privat genutzter Wirtschaftsgüter in den betrieblichen Bereich zu verlagern. Weder die selbständige Führung zweier Bankkonten noch eine bestimmte buchmäßige Darstellung rechtfertigen es,

Verbindlichkeiten allein deswegen als Betriebsschulden anzusehen, weil sie buch- oder kontenmäßig in bestimmter Weise behandelt werden".

VwGH-Folgerung: "Durch die formelle Aufspaltung in zwei oder mehrere Bankkonten werden aber in wirtschaftlicher Betrachtungsweise nicht zusätzliche Betriebsmittel geschaffen, sondern lediglich

verdeckt, daß Mittel für die Entnahmen im Betrieb nicht (bzw. nicht im erforderlichen Aus-maß) vorhanden sind. Wenn Geldmittel entnommen werden, obwohl bei saldierter Betrachtung der Bankkonten kein

Geldmittelüberschuß im Betrieb vorhanden ist, entstehen durch die Entnahmen keine betrieblichen Schulden". Insoweit auch keine steuerabsetzbaren Zinsen, müßte man ergänzen.

Höhe der

Privatentnahmen

Dürfen also überhaupt keine Privatentnahmen aus betrieblichen Kreditmitteln entnommen werden? Sind alle darauf entfallenden Zinsen stets steuerlich tabu? Hier orten die Unternehmer den Verstoß

gegen den bisher von der Finanz immer wieder betonten Grundsatz der unternehmerischen Dispositionsfreiheit, der besagt, daß es jedem freigestellt ist, ob er seinen Betrieb mit Eigen- oder mit

Fremdmitteln finanziert.

"Die Problematik ist dabei die, daß der VwGH seine Aussagen nicht nur auf das "klassische" 2-Konten-Modell bezieht, sondern generell auf die Definition der entnahmefähigen Mittel abstellt", schreibt

Peter Quantschnigg vom Finanzministerium in der "Österreichischen Steuerzeitung". Und weiter: "Demnach müßte bei jedem Betrieb geprüft werden, ob bei saldierter Betrachtung der Bankkonten ein

Geldmittelüberschuß im Betrieb vorhanden ist. Nur dieser wäre entnahmefähig".

Anders gesagt: Wäre ein solcher Geldmittelüberschuß errechenbar und würden die üblichen Privatentnahmen von einem solchen Bankkreditkonto entnommen, dann blieben die Kreditzinsen insoferne auch

steuerabsetzbar.

Ermittlung des

Unternehmerlohns

Zwei Problemkreise tun sich auf: Wie errechnet sich der fiktive Geldmittelüberschuß (Milchmädchenschema: positive Bankguthaben, Bargeld, Schecks, Wechsel; abzüglich die dem Umlaufvermögen

zuzurechnenden Bankschulden). Und: Was sind Privatentnahmen in üblicher Höhe? Ist es der "Unternehmerlohn" und wenn ja, wie soll der ermittelt werden? (Milchmädchenschema: Vergleichbare

Geschäftsführerbezüge? Höchster Mitarbeiterbezug plus 100%? "Seifenformel" unseligen Angedenkens?)

Gerade die letzte Frage wird zum Abgrenzungsproblem, denn der "unübliche" Teil der Privatentnahme (die "Überentnahme") aus dem Kreditkonto führt ja dazu, daß die Kreditzinsen insoweit eben aufs

Privatkonto wandern müssen.

Erlaß ohne Sicherheit

für Steuerzahler

Die Finanzverwaltung, die sich der durch das Höchstgericht losgetretenen Problemlawine durchaus bewußt ist, versucht mit einem Erlaß gegenzusteuern. Klar: "Dieser wird sich an der Rechtsprechung

des VwGH orientieren" heißt es vor- sorglich. Aber er soll jedenfalls im Ausmaß der "normalen" Entnahmen den Zinsenabzug zulassen.

Vielleicht wird man sogar eine jahrübergreifende Privatentnahmenverrechnung "andenken" (zu niedrige Entnahmen eines Jahres dürfen im Folgejahr nachgeholt, zu hohe müssen im Folgejahr gekürzt werden).

Wobei die Frage der Höhe der "normalen" Entnahmen nur mit einer Brachialformel lösbar sein dürfte. "Kasuistik hoch 12", hat es einer genannt.

Der erwartete Erlaß soll die neue Rechtslage ab 1998 bekräftigen. Sicherheit kann er dem Steuerzahler nicht geben. Jeder Steuerprüfer kann aus dem VwGH-Erkenntnis seine eigene Rechtsauffassung

ableiten. Denn ein Erlaß · so hat es die Wiener Finanzlandesdirektion soeben sehr anschaulich begründet · gibt dem Steuerzahler keinerlei Rechte, keinerlei verläßliche Orientierungshilfe. Das 2-

Konten-Modell bleibt ein Unternehmerrisiko.