Bildungspsychologin Christiane Spiel setzt auf Reform bei Aus- und Fortbildung.
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Wien. Österreichs Bildungswesen zeige große Schwächen, für eine Besserung der Lage müsse man bei den Lehrern und deren Aus- und Fortbildung ansetzen, aber auch das Ansehen dieser Berufsgruppe in der Bevölkerung deutlich anheben. Das war das Fazit einer Veranstaltung zum Thema "Der Unterricht der Zukunft" im Wiener Haus der Industrie. Georg Kapsch, Präsident der Industriellenvereinigung, nannte eingangs Österreichs Entwicklung bei den Pisa-Tests "eine Katastrophe" und wies darauf hin, dass auf der vierten Schulstufe 24 und auf der achten Schulstufe noch immer 19 Prozent der Schüler nicht Sinn erfassend lesen können und dass dies kein Migrantenproblem sei. Dabei gebe Österreich um 40 Prozent mehr Geld für Bildung aus, als der OECD-Schnitt betrage. Die Bildungspsychologin Christiane Spiel stellte fest, dass von den drei Hauptaufgaben der Schule - Qualifikation, Sozialisation und Allokation - derzeit fast nur die Allokation, dabei geht es um die Berechtigung zu weiterführenden Ausbildungen, ein Thema sei.
Motivation schwindet
Neben der Lesekompetenz geben Spiel auch geschlechtsspezifische Studien zu denken, die Österreichs Mädchen im mathematisch-naturwissenschaftlichen Out ansiedeln. Lehramtskandidaten (die noch nie unterrichtet haben) meinten in einer aktuellen Befragung mehrheitlich, Schulerfolg in mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern beruhe bei Mädchen in erster Linie auf Anstrengung, bei Buben auf Begabung.
Schließlich liege, so Spiel, auch die Lern- und Bildungsmotivation im Argen. Auf der vierten Schulstufe macht Kindern das Lernen in der Schule noch relativ großen Spaß, auf der elften Schulstufe aber fast keinen mehr. Ursachen für schulischen Misserfolg orten Lehrer erst zuletzt bei Faktoren des Unterrichts oder bei sich selbst, vorrangig bei den Schülern (familiäre Gründe, mangelnder Fleiß, keine Konzentration).
Hauptproblem aus Spiels Sicht ist die mangelnde Unterstützung des Transfers neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Praxis des Unterrichts. Reformen bei der Lehreraus- und -fortbildung seien dringend nötig, aber auch mehr Respekt und Wertschätzung für die in diesem Bereich tätigen Personen, auch für jene, die für diesen Beruf ungeeignet seien und denen man Ausstiegsszenarien anbieten sollte. "Die Welt hat sich verändert, die Schule nicht oder zu wenig", betonte Spiel. Die Schule müsse sich öffnen, nicht alles dort könnten Lehrer leisten, es müssten auch mehr Sozialarbeiter und andere Berufe helfen.
Ob in Zukunft nur die Besten, wie man es erhofft, Lehrer werden? In der Debatte ließ die Wiener Stadtschulratspräsidentin Susanne Brandsteidl daran ein wenig zweifeln, als sie ausrief: "Werden Sie Lehrer, ich biete Ihnen eine Jobgarantie bis 2035!.